Dossier

Von Sardinien nach L'Aquila Gipfel in der Bebenregion

Auch über ein Jahr nach dem Erdbeben leben viele Menschen noch in Zeltlagern.

Auch über ein Jahr nach dem Erdbeben leben viele Menschen noch in Zeltlagern.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der diesjährige Gipfel der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G8) wird in der mittelitalienischen Erdbebenregion Abruzzen abgehalten. Vom 8. bis zum 10. Juli treffen sich die Mächtigen der Welt unter dem Vorsitz Italiens in der am 6. April von einem schweren Erdbeben zerschundenen Regionalhauptstadt L'Aquila. Die mittelalterliche Stadt liegt auf 700 Meter Höhe rund 100 Kilometer nordöstlich von Rom im Tal des Aterno im Schatten des berühmten Bergmassivs des Gran Sasso. Mit rund 73.000 Einwohnern gehört sie zu den größten Städten der Region. Die Altstadt wurde bei dem Beben im April schwer zerstört. Noch immer leben Tausende in Zeltstädten in der Nähe der Stadt.

Angesichts von Zerstörung, Zeltstädten und spärlich vorhandenen, oftmals noch mit Bebenopfern belegten Hotels tagen und wohnen die Mächtigen nun in dem außerhalb der Stadt gelegenen, riesigen Ausbildungszentrum der Finanzpolizei "Coppito". Coppito verfüge über 16 Tagungshallen à 150 Plätze und habe in der Vergangenheit locker 29.000 Kandidaten für Prüfungen beherbergt, teilten die Organisatoren im Vorfeld mit. Selbst die Presse hat ein eigenes Zentrum vor Ort, und für US-Präsident Barack Obama sei ein Basketball-Feld angelegt worden.

Die Staatschefs hingegen residieren in einem riesigen Tagungsareal.

Die Staatschefs hingegen residieren in einem riesigen Tagungsareal.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Bergstadt war dabei nicht immer als Gipfelort vorgesehen gewesen. Zuvor sollten die Staatschefs und ihr Gefolge auf dem gewaltigen Kreuzfahrtschiff "MSC Fantasia" untergebracht werden, um auf der pittoresken Mittelmeerinsel La Maddalena zwischen Korsika und Sardinien im Luxus zu tagen. Als der italienische Ministerpräsident nur knapp drei Wochen nach dem Beben, das in den Abruzzen fast 300 Menschen das Leben kostete und Zehntausende obdachlos machte, entschied, den Gipfel in die Krisenregion zu verlegen, erntete er nicht nur Beifall. Die als "Geste der Solidarität" gedachte Entscheidung sorgte zunächst für allgemeine Fassungslosigkeit.

Werbegag? Aprilscherz?

Auf Sardinien, wo man schon viel Geld in die Gipfel-Infrastruktur gesteckt hatte, gab es heftige Proteste. Die linke Opposition sprach von misslungenem Werbegag, das Kabinett dachte an einen Aprilscherz des Regierungschefs und selbst in L'Aquila hatte manch einer Angst, der Gipfel könnte der Region mehr schaden als nutzen. Trotzdem gelang es Berlusconi schnell, grünes Licht einzuholen. Die Verlegung spare 220 Millionen Euro, beruhigte er seine Regierungsmannschaft. Und im Ausland lobten alle von Gordon Brown über Barack Obama bis Angela Merkel die schöne Geste.

Auch sicherheitstechnisch sei die Konzentration aller G8-Aktivitäten in der Polizeischule von Vorteil. So könne der Campus ohne Probleme abgeriegelt werden. Berlusconi hatte schon im Vorfeld Geheimdienst und Sicherheitsbeamte beruhigt, Globalisierungsgegner würden es doch wohl nicht wagen, in der so vom Erdbeben heimgesuchten Stadt auf den Putz hauen zu wollen. Proteste gelten daher als wahrscheinlicher in der nicht weit entfernt liegenden italienischen Hauptstadt Rom.

Quelle: ntv.de

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