Der versteinerte Althaus "Ich schäme mich für ihn"
08.09.2009, 16:25 Uhr
Dieter Althaus lässt keine Gemütsregung erkennen.
(Foto: dpa)
Im versteinerten Gesicht von Dieter Althaus ist keine menschliche Regung zu lesen. Monoton erklärt er immer wieder, dass er als geschäftsführender Ministerpräsident laut Thüringer Verfassung die Regierungsgeschäfte führen muss. Dass ihm bei seinem Rücktritt vom Rücktritt allgemein Unverständnis entgegenschlägt, ficht ihn nicht an. Ebenso wenig, dass die CDU-Basis rebelliert. Artikel 75 gibt ihm Recht und sichert ihm die Macht in Thüringen - zumindest in den kommenden Wochen, bis eine neue Regierung gefunden ist.
Während die Partei um ihn herum in Aufruhr ist, versteift sich Althaus auf die Geschäftsordnung. Er will die Spaltung, in die er die Partei treibt, nicht sehen. Aufgeschreckt von seiner Ankündigung, die Kabinettssitzung heute zu leiten, hatten am Vorabend die bislang loyalen Ministerinnen Birgit Diezel und Christine Lieberknecht den Aufstand geprobt. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Diezel schlug Sozialministerin Lieberknecht als Althaus-Nachfolgerin vor.
Verfassungslage gegen politische Wahrnehmung
Wenig später legte Lieberknecht im Deutschlandfunk nach: Die Ära Althaus ist beendet, sagte sie. "Die Verfassungslage ist eindeutig auf Seiten von Dieter Althaus, aber die Verfassungslage ist das eine, die politische Wahrnehmung ist das andere." Seitdem sammelt sie Glückwunschtelegramme. Die zwölf Thüringer CDU-Landräte stellen sich ebenso hinter sie wie Althaus-Vorgänger Bernhard Vogel und die Junge Union.
Althaus bleibt ungerührt. Ob er noch das Vertrauen der Partei genieße? "Ich verstehe die Frage nicht." Ob ihn die Nominierung von Lieberknecht überrascht habe? "Nein." Ob er die Form seines Rücktritts in Ordnung finde? "Jeder hat seinen Stil", sagt Althaus. Und: "Ja, ich würde es genauso wieder tun." Gefühle zeigt er keine. Auf die privaten Gründe, die ihn zum Rücktritt bewogen haben, will er nicht eingehen. Stattdessen die vorgestanzten Aussagen: Ich habe die Verantwortung für die Wahlniederlage übernommen und will den Sondierungsgesprächen mit der SPD nicht im Wege stehen. Wohin ihn sein politischer Weg führt? "Dafür ist jetzt nicht die Zeit."
Widerspruch nicht geduldet
Wie ein ungläubiges Kind lässt Althaus die Fragen über sich ergehen. In seinem Weltbild ist alles geordnet. Er hat zwar hingeschmissen, aber er bleibt im Amt, er hat am Wochenende gearbeitet und jetzt sitzt er wieder am Schreibtisch. Dass er seine Parteifreunde vor den Kopf gestoßen hat und die Partei der Lächerlichkeit preisgibt, sieht er nicht. "Ich schäme mich für ihn", sagt eine Frau, die wie viele Mitarbeiter aus der Staatskanzlei die Pressekonferenz vom Rand aus verfolgte.
Mit seinem Auftritt offenbart der Ministerpräsident auch einen Blick in das System Althaus: Die Entscheidungen fallen im kleinen Kreis von Gleichgesinnten, die überwiegend wie Althaus aus dem katholisch geprägten Eichsfeld kommen, analysiert der Erfurter Politikwissenschaftler Dietmar Herz. Widerspruch wird nicht geduldet, vor allem nicht von Protestanten wie der Theologin Lieberknecht und Finanzministerin Diezel.
Der Machtkampf bricht offen aus
In den vergangenen zehn Jahren schweißte der Erfolg der Alleinregierung die Partei zusammen. Mit ihrer Mehrheit konnte sie die Geschicke allein bestimmen und die Opposition nach Belieben vorführen. Jetzt, da ihr selbst die Opposition droht, bricht der Machtkampf offen aus.
Die Linke kann angesichts dieser Selbstzerfleischung ihre Häme nicht verbergen. Spitzenkandidat Bodo Ramelow spricht Althaus jeden Realitätssinn ab und beschwört das Ende der CDU-Regierung. SPD-Chef Christoph Matschie kann das Schauspiel dagegen nicht genießen. Wenn sich die CDU weiter zerlegt, könnte auch sein Koalitionspoker, den er zurzeit mit der CDU und der Linken spielt, zu Ende sein. Deshalb ruft er die CDU zur Ordnung: "Thüringen hat ein Recht darauf, zu wissen - auch jetzt in der Übergangszeit - wer die Entscheidungen trifft."
Quelle: ntv.de, Ingo Senft-Werner, dpa