Dossier

Die Frau an Islands Spitze Jhanna Sigurdardttir

Islands Ministerpräsidentin Jhanna Sigurdardttir hat die Finanzkrisen-Wahl auf Island mit einem ungewöhnlich bunt gemischten Image gewonnen: Die 66-jährige Sozialdemokratin gilt als persönlich kompromisslos ehrgeizig und wird gleichzeitig für ihre kompromissloses soziales Engagement hoch geachtet. Die hellblonde Ex-Stewardess hat zwei erwachsene Söhne. Nach ihrer Scheidung von deren Vater heiratete sie 2002 die zwölf Jahre jüngere Schriftstellerin Jnina Lesdttir. Und wurde nach ihrem Amtsantritt am 1. Februar zur ersten offen homosexuellen Regierungschefin der Welt deklariert.

Dabei interessieren sich die Isländer gerade jetzt herzlich wenig für Sigurdardttirs lesbische Neigungen. Nach dem Kollaps der heimischen Banken bereiten andere Themen den 320.000 Wikinger-Nachfahren schlaflose Nächte: Explodierende Arbeitslosigkeit, nicht mehr bezahlbare Kreditschulden, der Verfall der Währung, 15,5 Prozent Leitzinsen, Rentenkürzungen und eine auf Jahrzehnte unsicher gewordene Zukunft. "Die Menschen haben heute mit dem Neoliberalismus abgerechnet", meinte Sigurdardttir in der Wahlnacht.

Im Wahlkampf für die vorgezogenen Neuwahlen half ihr, dass sie den kreditfinanzierten Finanzboom auf Island im Gegensatz zu anderen Spitzenpolitikern nicht bis zum Zusammenbruch des Kartenhauses lauthals bejubelt hatte. "Jetzt ist unsere Zeit gekommen", rief die Siegerin in der Wahlnacht aus. Das war wohl auch persönlich gemeint, denn als Sigurdardttir 1994 den Sprung an die Parteispitze verpasst hatte, knallte sie die Tür mit dem Legende geworden Satz zu: "Meine Zeit wird kommen."

Ganz oben auf ihrem Fahrplan für die neue Regierungsmehrheit mit den Linksgrünen steht ein möglichst schneller Beitritt Islands zur EU. Das sei der einzig mögliche Weg aus der Krise, sagte sie im Wahlkampf. Ansonsten kann die erste Frau an der Regierungsspitze in Island nur eingeschränkt das tun, was sie für richtig hält: Seit der Internationale Währungsfonds (IWF) das Land mit einem Milliardenkredit vor dem Staatsbankrott gerettet hat, muss sich die Ministerpräsidentin bei wichtigen Entscheidungen erst einmal grünes Licht beim Kreditgeber holen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen