Präsidentenwahl in Usbekistan Karimow will weitermachen
23.12.2007, 13:50 UhrÜber den großen Platz vor der Freitagsmoschee von Buchara hallt das Gejohle einer Horde usbekischer Jungen beim Fußballspiel. "Auch diese Burschen werden in ein paar Jahren unser Land verlassen", sagt die Händlerin Dilja an ihrem Stand mit den buntbestickten Tjubetejka-Kappen. Da im Winter die ausländischen Touristen auf den Spuren der alten Seidenstraße ausbleiben, gleicht Buchara einer Geisterstadt. Ein Plakat im Stadtzentrum erinnert daran, dass in dem Land mit seinen 26 Millionen Einwohnern am 23. Dezember Präsidentenwahl ist. Die Ex-Sowjetrepublik mit der vorwiegend islamisch-sunnitischen Bevölkerung geriet im Sommer nach der Festnahme von Terroristen in Deutschland in die Schlagzeilen.
Armut und staatlichen Machtmissbrauch sehen Experten als Nährboden für einen radikalen Islamismus im zentralasiatischen Usbekistan. Die drei im August im Sauerland festgenommenen Verdächtigen gehörten der aus Usbekistan stammenden Terrorgruppe Islamische Dschihad Union an.
Karimow denkt nicht ans Aufhören
Schätzungsweise zwei Millionen junge Männer und Frauen haben die einstige Sowjetrepublik verlassen. Sie verdingen sich als Tagelöhner im benachbarten Kasachstan oder in Russland, um die Familien daheim ernähren zu können. Wenngleich weite Teile der Bevölkerung unzufrieden sind mit ihrer Lage, darf der diktatorisch regierende Präsident Islam Karimow (69) wieder mit einem haushohen Sieg rechnen. Mehr als 90 Prozent der Stimmen erhielt er nach offiziellen Angaben bei der Wahl 2000.
Aus usbekischer Sicht erscheinen selbst die umstrittenen Demokratieverhältnisse in Russland als paradiesisch. "Dort gibt es wenigstens noch eine Opposition. Bei uns werden alle weggesperrt", sagt die russischstämmige Angestellte Natascha in Buchara. Internationale Menschenrechtsorganisationen beklagen systematische Folter in den usbekischen Gefängnissen. Tausende politische Häftlinge sollen hinter Gittern sitzen.
Eigentlich dürfte Karimow nicht mehr regieren, da seine zweite und gemäß Verfassung letzte Amtszeit bereits zu Jahresbeginn abgelaufen war. Der einstige Chef der Kommunistischen Partei denkt aber selbst nach zwei Jahrzehnten an der Spitze Usbekistans nicht ans Aufhören.
Die Verfassungsfrage wird im Land ebenso totgeschwiegen wie das Blutbad von Andischan. Bei dem Massaker töteten Militärs im Mai 2005 hunderte Zivilisten in der ostusbekischen Stadt. Weil die USA massiv Kritik an Karimow übten, hat der Präsident alle Kontakte abgebrochen. Usbekistan übt wieder den engen Schulterschluss mit Russland und eröffnet zunehmend den Chinesen Zugang zu Gas- und Goldvorkommen.
Bundeswehr hat strategische Interessen
Die EU wagte unter Federführung Deutschlands zuletzt wieder einen Schritt auf das usbekische Regime zu, indem Restriktionen gelockert wurden. Das Entgegenkommen ist umstritten. "Mit der Aufhebung der Sanktionen hat der Westen Andischan zu einer inneren Angelegenheit Usbekistans erklärt", kritisiert ein Journalist in Buchara. Deutschland und die EU täuschten sich, wenn sie glaubten, Einfluss auf das Regime in Taschkent nehmen zu können, sagt der Usbeke.
Die Bundeswehr hat strategische Interessen im Land. Von der südusbekischen Stadt Termes aus werden die ISAF-Truppen im Norden des benachbarten Afghanistan versorgt. Die Beziehungen zwischen Berlin und Taschkent sind kompliziert, wenngleich usbekische Beamte immer wieder eine "besondere Nähe" zu Deutschland beschwören.
Von den handverlesenen Gegenkandidaten Karimows bei der Präsidentenwahl haben viele Usbeken noch nie gehört. Die Opposition durfte keine eigenen Kandidaten aufstellen. Generell ist es schwierig, auf der Straße über Politik zu sprechen. Gegenüber Fremden geben sich die Usbeken zufrieden mit ihrem Leben. Wie der Rentner Anwar (70), der in der aufziehenden Abenddämmerung im offenen Caf mit seinen Freunden beim Tee Domino spielt. "Uns geht es sehr gut", beteuert der kleine Mann mit dem goldenen Eckzahn. Dann ergänzt er mit einem Blick auf eine Gruppe von Männern in schwarzen Lederjacken: "Bei uns klagt man besser nicht."
Von Stefan Voß, dpa
Quelle: ntv.de