Kroatien wählt sein Parlament Kopf an Kopf
23.11.2007, 17:04 UhrAm Sonntag wählt Kroatien ein neues Parlament. Dabei zeichnet sich nach Angaben von Meinungsforschern ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Regierung und Opposition ab. Die konservative HDZ-Partei von Regierungschef Ivo Sanader (54) werde rund ein Drittel der Stimmen erringen, prognostizieren sie. Dem als "Saubermann" und "kroatischen Kennedy" antretenden Zoran Milanovic (41), der gerade eine Blitzkarriere an die Spitze der oppositionellen Sozialdemokraten (SDP) hingelegt hat, werden nur wenig mehr Stimmen vorausgesagt.
Gekämpft wird mit harten Bandagen. Das Lager des in Innsbruck promovierten Literaturwissenschaftlers Sanader wirft seinen Gegnern vor, sie wollten den Kommunismus wieder einführen. Als Beleg werden die SDP-Pläne für eine Kapitalbesteuerung ebenso angeführt wie die angebliche Abschaffung des Religionsunterrichtes und das vermeintliche Ja zu Abtreibungen und Drogen.
Parlament hat wenig zu sagen
"Das ist eine korrumpierte Staatsmacht", schimpft der Jurist Milanovic über ein noch immer allgegenwärtiges Übel. Er verweist dabei auf eine Uhrenkollektion Sanaders im Wert von 150.000 Euro und ein Haus für 1,5 Millionen Euro, das aus zweifelhaften Geldquellen bezahlt worden sein soll. Der selbstherrliche Arbeitsstil des seit 2003 regierenden Sanader habe das Parlament zur "Abstimmungsmaschine" abgewertet. Es müsse "nach österreichischem und deutschem Vorbild umgestaltet" werden.
Die Regierung verweist auf ihre Erfolge. Seit 2004 ist das Land ein EU-Beitrittskandidat. Mutmaßliche Kriegsverbrecher wurden an das UN-Tribunal in Den Haag ausgeliefert. Ein großzügiges Autobahnnetz erschließt heute das Land und kurbelt den Tourismus als wichtigsten Wirtschaftszweig an. In diesem Jahr kamen 8,5 Millionen ausländische Gäste an die lange Adriaküste - mehr als je zuvor. Die Branche erzielte mit Einnahmen von 7,3 Milliarden Euro einen Rekordgewinn.
Rentner und Kroaten von außerhalb
Die Sozialdemokraten prangern dagegen die drohende Überschuldung des Staates mit 31 Milliarden Euro an. Rund 1,2 Millionen Beschäftigte stehen etwa eine Million Rentner gegenüber. Der Rentnerpartei HSU wird ein Stimmenanteil von acht Prozent prognostiziert. Sie wäre damit das Zünglein an der Waage. Da es der HSU nach eigener Darstellung einzig um mehr Geld geht, will sie sich an den Wahlsieger binden. Sollte der die Rentnerforderungen erfüllen, wären neue 3,3 Milliarden Euro fällig, rechnen Statistiker vor.
Ausländische Wahlbeobachter reiben sich verwundert die Augen, wie bei einer Bevölkerung von 4,5 Millionen knapp 4,1 Millionen Wähler registriert werden konnten. Dazu kommen noch rund 400.000 Wähler im benachbarten Bosnien-Herzegowina. Den dort lebenden Kroaten war von Sanaders Vorgänger an der Parteispitze, Franjo Tudjman, im Jahr 1994 das Wahlrecht eingeräumt worden. Auch heute könnten diese meist nationalistisch orientierten Wähler den Ausschlag geben. Milanovic und die SDP wollen als zentralen Punkt ihres Wahlprogramms dieses Doppelwahlrecht abschaffen. "Nur die in Kroatien Steuern zahlenden Bürger sollen über das Schicksal des Landes entscheiden", lautet die Begründung.
Von Thomas Brey, dpa
Quelle: ntv.de