Dossier

Chinesen fürchten das Alter Löchriges Rentensystem

"Wer einen Sohn geboren hat, kann in Ruhe alt werden", sagt ein gern zitiertes chinesisches Sprichwort. Doch in der rapide alternden Gesellschaft sind viele Chinesen mit der finanziellen Verantwortung für die Eltern überfordert. "Meine Eltern verlassen sich auf meine Hilfe. Aber ich weiß nicht, woher ich das Geld nehmen soll", klagt Zhang Jinrong. "Ich verdiene ja kaum genug für meinen eigenen Lebensunterhalt." Der 25-jährige Angestellte einer Investmentfirma ist vor einem Jahr aus Lanzhou, der Hauptstadt der westchinesischen Provinz Gansu, nach Peking gezogen - in der Hoffnung, dort genug Geld zu verdienen, um seine pensionierten Eltern unterstützen zu können. Ein umfassendes Rentensystem fehlt.

Nur ein Viertel Anspruch auf Altersversorgung

Seine Eltern sind noch relativ gut gestellt. Als ehemaliger Beamter erhält der Vater eine monatliche Rente von etwa 700 Yuan (etwa 70 Euro). Die Mutter hat ihre Altersansprüche verloren, als das Unternehmen, in dem sie Buchhalterin war, privatisiert und sie selbst entlassen wurde. Ihr steht eine staatliche Unterhaltsbeihilfe von 200 Yuan (knapp 20 Euro) zu. Doch dieses Geld deckt kaum die Miete. "Besonders in den Städten ist das viel zu wenig", sagt Zhang Jinrong resigniert. "Außerdem bekommen viele überhaupt nichts."

Nach staatlichen Angaben liegt die monatliche Durchschnittsrente bei umgerechnet 90 Euro. Aber nur ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung hat Anspruch auf eine Altersversorgung, auf dem Land sind es nur zehn Prozent. Das staatliche Rentensystem erfasst ausschließlich Angestellte staatlicher Unternehmen und Beamte. Die ländliche Bevölkerung und Wanderarbeiter bleiben außen vor. Mehr als zehn Millionen Rentner leben in China nach offiziellen Angaben unterhalb der Armutsgrenze, die bei einem verfügbaren Einkommen von nur rund 70 Euro pro Jahr sehr tief angelegt ist.

Geld für Krankenhauskosten fehlt

Chinas Einkindpolitik hat das Problem verschärft. Viele junge Paare müssen sich heute um vier Elternteile kümmern. Im Extremfall sind auch noch acht Großeltern zu versorgen. Den großen Familienclan, der sich früher gemeinsam um die Alten kümmerte, gibt es zumindest in den Städten kaum noch. Das größte Problem ist die häufig fehlende oder unzureichende Krankenversicherung. "Solange alle gesund sind, mag das mit einigem Glück gerade so gehen", seufzt Zhang Jinrong, ebenfalls ein Einzelkind. "Aber sobald Krankenhauskosten dazu kommen, hat man keine Chance mehr." Die Herzoperation seiner Großmutter sollte umgerechnet 3000 Euro kosten. "Kein Mensch hat so viel Geld! Wir mussten sie einfach ihrem Schicksal überlassen", erzählt er mit Tränen in den Augen über ihren Tod vor einem Jahr.

Ähnlich sieht es aus, wenn die Eltern nicht mehr alleine zurechtkommen. "Ich kann nicht hier in Peking Geld verdienen und gleichzeitig in Lanzhou sein, um mich um meine Eltern zu kümmern. Und zum Umziehen sind sie zu alt." Altersheime sind rar. Sogar in der wohlhabenden Provinz Guangdong beträgt die Wartezeit für ein Bett durchschnittlich 30 Monate, klagen staatliche Medien. In vielen anderen Provinzen sieht es nicht besser aus. Dabei können sich nur wenige Familien die hohen Kosten für die Altersbetreuung leisten.

Angst vor dem Alter

So macht sich in der Bevölkerung Angst vor dem Altern breit. 90 Prozent der Befragten gaben bei einer jüngsten Umfrage an, sich ernsthafte Sorgen um ihre Altersversorgung zu machen. Nahezu die Hälfte der Befragten sagte, sie sei im Alter vollkommen auf sich alleine gestellt, berichtete die "China Daily". Dabei altert die Gesellschaft rasant. Heute sind 144 Millionen Chinesen, was elf Prozent der Bevölkerung entspricht, bereits über 60 Jahre alt. Im Jahr 2050 werden es nach Schätzungen der Weltbank bereits 460 Millionen oder 31 Prozent sein.

Seit diesem Jahr steht armen Landbewohnern in vielen Provinzen zumindest eine staatliche Unterhaltsbeihilfe von durchschnittlich 3 Euro im Monat zu. In den Städten schwankt diese Hilfe je nach Region zwischen 200 und 1000 Yuan (20 bis 100 Euro). Wo es möglich ist, beginnt die jüngere Generation eigene Altersrücklagen zu bilden. Für die Älteren ist es zu spät. Für sie müssen weiter die Kinder die Hauptlast tragen.

Von Maria Bondes, dpa

Quelle: ntv.de

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