Ohne Selbstkritik Machtwechsel in Sachsen-CDU
25.05.2008, 15:01 UhrAm Ende war der Wunsch nach Harmonie stärker als der Drang zu kritischer Aufarbeitung. Sachsens CDU hat bei einem Parteitag in Zwickau den Machtwechsel vollzogen - mit Blasmusik, Showeinlagen und viel Beifall für den bisherigen Amtsinhaber Georg Milbradt und seinen Nachfolger Stanislaw Tillich. Der 49-jährige Tillich soll Milbradt (63) in der kommenden Woche auch als Regierungschef beerben. Zuvor räumt CDU-Fraktionschef Fritz Hähle (66) das Feld für Kultusminister Steffen Flath (51).
Auch wenn Milbradt das Prozedere als geordneten Generationswechsel darstellte: Letztendlich musste der gebürtige Sauerländer doch dem Druck nachgeben, der nach der Krise und dem Notverkauf der Landesbank Sachsen entstanden war. Die CDU hat das Thema offenkundig abgehakt, selbst wenn die langfristigen Folgen noch nicht feststehen. Milbradt ging bei seiner einstündigen Rede in der Zwickauer Stadthalle mit keiner Silbe auf die Landesbank ein. Auch die Delegierten verspürten keine Lust zur Aussprache - der Tagesordnungspunkt wurde kurzerhand gestrichen.
Ohne Gegenkandidaten
Dafür inszenierte die Partei dann Milbradts Abgang glanzvoll. Zum Tina-Turner-Hit "Simply the best" marschierten junge CDU-Mitglieder aus allen Kreisverbänden mit Geschenken in den Saal. Die Palette reichte vom Blackberry über zwei Flaschen Bier bis zu einem Fahrrad von BMW - zum "richtigen" BMW habe es nicht gereicht, witzelte Generalsekretär Michael Kretschmer. Der 33-Jährige dankte Milbradt emotional: "Es geht eine große Ära zu Ende. Wie Du den Wechsel organisiert hast, ist nicht nur eine große politische, sondern auch eine große menschliche Leistung."
Tillich konnte sich bei der Wahl ohne Gegenkandidaten über ein Ergebnis freuen, das früher nur realsozialistische Partei- und Staatschefs erreichten: 97,7 Prozent. In seiner Vorstellungsrede lobte er die Art der Staffelübergabe: "Keine Grabenkämpfe, keine Verletzungen, kein bitterer Nachgeschmack." Danach zeigte er Verständnis dafür, dass es in der Partei keinen Bedarf für eine Aussprache mehr gab. Die Botschaft laute nun: "Jetzt schauen wir nicht mehr nach hinten, sondern nach vorn."
Präsentation mit einem Schuss Ironie
Auf jeden Fall bewies die CDU perfektes Timing. Bundeskanzlerin Angela Merkel erschien zwar verspätet, aber genau in dem Moment, als das fast einstimmige Wahlergebnis für Tillich verkündet wurde. Bei ihrem Einmarsch setzten die Veranstalter auf lautstarke Technomusik. Vermutlich sollte auch damit eine Verjüngung in der CDU dokumentiert werden. Kurz zuvor hatte sich Tillich als "neues, junges Gesicht" präsentiert - nicht ohne einen Schuss Ironie. Selbst mit 49 Jahren gehört er zur jüngeren Generation in der deutschen Politik.
In Sachsen werden mit Tillich verschiedene Hoffnungen verknüpft. Allgemein gibt es Genugtuung, dass der Freistaat rund 18 Jahre nach der Deutschen Einheit erstmals einen Einheimischen im Amt des Ministerpräsidenten hat. Ein neuerlicher West-Import wäre beim traditionsbewussten Sachsen-Volk vermutlich nicht so gut angekommen. Die größte Oppositionspartei im Landtag, die Linke, machte sich aber keine allzu großen Hoffnungen auf einen wirklichen Wechsel: "Mit Tillich wird sich die Tonlage ändern, aber nicht der Inhalt der CDU-Politik in Sachsen", sagte Parteichefin Cornelia Ernst.
Von Torsten Klaus und Jörg Schurig, dpa
Quelle: ntv.de