Dossier

Ein Fall für Juristen Marine auf Piratenjagd

Die Zeit drängt. Schon am 8. Dezember soll die Anti-Piratenmission der EU vor der Küste Somalias beginnen. Deutschland hat seine Teilnahme zugesagt. Das Außen-, Innen- und Verteidigungsministerium ringen aber noch, wie der Auftrag ausgestaltet werden soll, den letztlich der Bundestag erteilt. Denn die Mission ist juristisch heikel. Fragen und Antworten:

Was ist die völkerrechtliche Grundlage für die Mission?

Die Vereinten Nationen haben mit Zustimmung der Zentralregierung von Somalia im Juni dieses Jahres in der Resolution 1816 alle Mitgliedsländer aufgefordert, gegen die Piraterie am Horn von Afrika vorzugehen. Danach dürfen auch in den Hoheitsgewässern "alle Mittel zur Unterdrückung von Akten der Piraterie und von bewaffneten Überfällen auf See" ergriffen werden. Die Europäische Union hat Mitte November beschlossen, eine entsprechende eigene Mission zu starten. Es wäre der erste Marineeinsatz der Europäer. Deutschland hat die Entsendung einer Fregatte zugesagt.

Welche Befugnisse wird die EU-Flotte haben?

Über die Einsatzregeln der "Operation Atalanta" wird derzeit in Brüssel noch intensiv verhandelt. In jedem Fall soll es ein "robustes" Mandat sein, wie es in Berlin heißt. Das bedeutet: Es geht nicht nur um ein Beobachten und Warnen. Die Marinekräfte werden auch Gewalt anwenden können, um die Piraten zu bekämpfen. Einzelheiten sind aber noch offen. Eine Frage, die dabei noch offen ist: Werden die Seestreitkräfte die Piraten auch bis aufs Land verfolgen dürfen?

Worum dreht sich die Diskussion zwischen den Berliner Ministerien?

Die Besatzung der Fregatte wird nicht nur Piraten vertreiben. Es ist damit zu rechnen, dass sie einige der modernen Seeräuber dingfest macht. Wie muss dann mit denen umgegangen werden? Einigkeit besteht in Berlin darüber, dass auch auf hoher See der Rechtsstaat gilt - und damit die Strafprozessordnung.

Was bedeutet das für die Behandlung eines Seeräubers, der ein deutsches Schiff mit Deutschen an Bord angegriffen hat?

Das ist noch die einfachste Fall-Konstellation. Klar ist, dass hier wegen der Verletzung deutscher Rechtsgüter deutsches Recht gilt. Folge: Gegen den Festgenommenen müsste ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, da in einer Schiffskaperung mit Lösegeldforderung eine räuberische Erpressung und Geiselnahme an der Besatzung zu sehen ist. Beides sind schwere Straftaten.

Nur dürfte die Besatzung den Piraten überhaupt festnehmen? Es sind doch Soldaten und keine Polizisten oder Staatsanwälte!

In der Tat wird dieser Einsatz sich nach außen als eine Art Mischung zwischen Militär- und Polizeieinsatz darstellen. Das ist nicht unproblematisch, weil Aufgaben von Bundeswehr und Polizei nach dem Grundgesetz unbestritten nicht miteinander vermischt werden dürfen. Rechtlich darf man aber nicht verkennen, dass Matrosen und Offiziere wie jede Frau und jeder Mann ein allgemeines Festnahmerecht besitzen (Paragraf 127 StPO). Das Recht zum Dingfestmachen wird man den Soldaten nicht absprechen können.

Müssen die Piraten nach Deutschland gebracht werden?

Nach der Strafprozessordnung (StPO) dürfen die Soldaten nicht das nach Legalitätsgrundsatz zwingende Ermittlungsverfahren führen. Dieses müsste ein Staatsanwalt oder ein Polizist übernehmen. Die Ministerien reden nun darüber, wie man dem in der Praxis gerecht werden kann. Muss ein Staatsanwalt oder Polizist also am Ende auf die Fregatte?

Damit aber nicht genug. Nach dem Grundgesetz ist ein Beschuldigter, will man ihn in Gewahrsam halten, spätestens einen Tag nach seiner Festnahme bis 24.00 Uhr einem Haftrichter vorzuführen. Wie soll das organisiert werden? Muss ein Richter ebenfalls mit auf das Schiff oder schafft man es, den Festgenommenen in diesem Zeitraum nach Deutschland zu fliegen - und wenn ja, wer macht das? Oder reicht es, dass der Haftrichter per Video zugeschaltet wird? Als Alternative wurde eine Zeit lang erwogen, mit der Strafverfolgung einen anderen Staat zu beauftragen. Problem ist nur, dass sich in der Region kein Land finden lässt, das den rechtsstaatlichen Anforderungen voll gerecht wird.

Müssen auch solche Piraten verfolgt werden, die ein ausländisches Schiff mit Nicht-Deutschen gekapert haben?

Das deutsche Strafrecht gilt auch für Taten gegen international geschützte Rechtsgüter. Dazu zählt unter anderem der Angriff auf den Seeverkehr (Paragraf 316 c Strafgesetzbuch). Danach wäre es egal, unter welcher Flagge das Schiff fährt.



Ulrich Scharlack, dpa




Quelle: ntv.de

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