Dossier

Uribes Kolumbien Mehr Sicherheit als Befriedung

In Kolumbien endet die Ära Uribe. Wie kaum ein anderer Präsident hat er in seinen acht Jahren an der Macht das Land geprägt. Nun übergibt er das Amt an seinen Nachfolger Santos.

Uribe verfolgte eine Politik der harten Hand: So bekämpfte er die linken Rebellen, beschädigte jedoch auch die Demokratie.

Uribe verfolgte eine Politik der harten Hand: So bekämpfte er die linken Rebellen, beschädigte jedoch auch die Demokratie.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Wenn der scheidende kolumbianische Präsident Alvaro Uribe für eines in Erinnerung bleiben wird, dann für die gnadenlose Bekämpfung linker Rebellen und die Wiederherstellung der Sicherheit in weiten Teilen des Landes. Dass die Menschen wieder ohne Furcht um Leib und Leben über Land fahren können, trug Uribe die höchsten Sympathiewerte für einen Staatschef in der Geschichte des Landes ein.

Die Kolumbianer wählten ihn 2006 wieder und verhalfen auch seinem Gefolgsmann Juan Manuel Santos am 20. Mai zu einem überragenden Wahlsieg. Hätte Uribe erneut antreten dürfen, wäre der Wahlsieg wohl noch eindeutiger gewesen. Nun übergibt er das Präsidentenamt nun an Santos.

Die Politik der harten Hand hat jedoch den Rechtsstaat und die Demokratie beschädigt und Kolumbien in Lateinamerika isoliert. Militärschläge jenseits der Landesgrenzen lösten schwere diplomatische und fast kriegerische Konflikte mit den Nachbarn Ecuador und Venezuela aus. Und die Bekämpfung der vielfältigen Ursachen der Gewalt und damit der Beginn einer wirklichen Befriedung des Landes stehen weiter aus.

Oberstes Ziel: Wiederherstellung der Sicherheit

Doch bei der Amtsübernahme Uribes nach seinem ersten Wahlsieg 2002 brannte es in Kolumbien an allen Ecken und Enden. Das Land stand am Rande des Zusammenbruchs. Die größte Rebellengruppe, die linken "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (FARC), hatte mehr als 20.000 Männer und Frauen unter Waffen. Entführungen waren an der Tagesordnung, 29.000 Menschen wurden in jenem Jahr ermordet und immer größere Teile des Landes wurden mit Koka-Sträuchern bepflanzt, aus deren Blättern Kokain gewonnen wird. Kolumbien ist immer noch der weltgrößte Produzent des Stoffs.

Santos tritt ein schwieriges Erbe an: Er muss die gewonne Sicherheit erhalten und Uribes Versäumnisse ausgleichen.

Santos tritt ein schwieriges Erbe an: Er muss die gewonne Sicherheit erhalten und Uribes Versäumnisse ausgleichen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Für Uribe hatte deshalb die Wiederherstellung der Sicherheit absoluten Vorrang. Militär und Polizei wurden mit US-Hilfe in Milliardenhöhe aufgerüstet, die Zahl der Sicherheitskräfte stieg in seiner Amtszeit von 260.000 auf 445.000 Mann. Statt weiter zu versuchen, die Rebellen zu Verhandlungen zu bewegen, schwor er ihnen die endgültige Vernichtung. Eine politische Motivation sprach er den linken Rebellen ab und erklärte sie zu Drogen-Terroristen.

Dass Soldaten junge Männer aus armen Verhältnissen umbrachten, um sie als im Kampf getötete Rebellen zu präsentieren, leugnete Uribe lange. Etwa 2000 Unschuldige sollen so getötet worden sein. Als der Skandal nicht mehr zu vertuschen war, ließ der Präsident die Militärspitze austauschen und Strafverfahren einleiten.

Immer wieder Mordanschläge

Wer es jedoch auch nur wagte, auf die Armutsrate von mehr als 50 Prozent oder das starke Stadt-Land-Gefälle oder die dem Frühkapitalismus ähnelnde Ausbeutung vieler Arbeiter durch die Unternehmer als eine der Ursachen von Gewalt zu verweisen, lief Gefahr, von Uribe zu einem Unterstützer der "Banditen" erklärt zu werden. Und wer in dieser Weise von höchster Stelle gebrandmarkt war, geriet schnell in das Fadenkreuz der ultrarechten Paramilitärs.

Seit 2002 wurden nach Angaben des Gewerkschaftsdachverbandes CUT allein 539 Gewerkschaftler umgebracht. Auch Menschenrechtsaktivisten, Rechtsanwälte und kritische Journalisten wurden immer wieder Opfer von Mordanschlägen.

Die Auflösung der für ihre Massaker unter der Zivilbevölkerung gefürchteten paramilitärischen Verbände wurde als Friedensprozess dargestellt. Dabei gab es nie einen wirklichen Konflikt zwischen Staat und Paramilitärs. Diese kooperierten ganz im Gegenteil oft eng mit dem Militär und erledigten für sie und einflussreiche Kreise der Oberschicht die Drecksarbeit: mögliche Sympathisanten der Rebellen umzubringen und mit Tod und Schrecken riesige Landstriche etwa im Chocó zu entvölkern, damit dann dort im großen Stil Palmölplantagen angelegt werden konnten.

Auf Santos kommt die schwierige Aufgabe zu, die Defizite der Politik Uribes bei der Bekämpfung der Ursachen der Gewalt auszugleichen, ohne die gerade erst wiedergewonnene Sicherheit gleich wieder zu gefährden. Ob die von FARC-Chef Alfonso Cano und Santos verkündete Gesprächsbereitschaft mehr als ein Lippenbekenntnis war, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Santos gilt als weniger besessen und kompromissbereiter als Uribe, dessen Vater von den FARC ermordet wurde.

Quelle: ntv.de, Jan-Uwe Ronneburger, dpa

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