Trauma Afghanistan Moskau erwägt mehr Hilfe
24.12.2009, 13:02 Uhr
Afghanische Soldaten der Nordallianz stehen in einem Militärlager in Kabul auf einem sowjetischen Panzer. (Archivbild von 2002)
(Foto: picture alliance / dpa)
Deshalb bat NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bei einem Besuch in Moskau just vor dem Jahrestag erneut eindringlich um mehr russische Hilfe im Anti-Terror-Kampf. Doch das Trauma des verlorenen Kriegs, der laut Sowjetpropaganda eine Friedensmission war, sitzt tief. Rund 15.000 sowjetische Soldaten starben bei dem Afghanistan-Einsatz, der im Dezember 1979 zu dem Zeitpunkt begann, als der Westen Weihnachten feierte.
Ein neuer Militäreinsatz Moskaus ist aber nicht in Sicht. "Wir waren schon dort, und es hat uns überhaupt nicht gefallen." Diesen Satz wiederholt der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin immer dann, wenn Russland wieder einmal die Frage nach russischen Truppen gestellt wird. Rogosin schlug die Tür aber auch nicht ganz zu. "Wir denken weiter über Afghanistan nach." Moskau prüfe Wünsche der NATO, die Zahl der Hubschrauber samt Treibstoff und Ausrüstung zu erhöhen sowie künftig mehr afghanische Piloten, Polizeikräfte und Drogenfahnder auszubilden.
Kampf gegen afghanische Drogen

Alte russische Panzerfahrzeuge rosten im Pandschir-Tal im Norden Afghanistans vor sich hin.
(Foto: picture alliance / dpa)
In den offiziellen russischen Stellungnahmen schwingt mit, dass weiter überlegt wird, was noch getan werden kann - gegen entsprechende Vergütung. Kremlchef Dmitri Medwedew machte bei Rasmussens erstem Amtsbesuch in Moskau klar, dass Russland heute vor allem einen Krieg gegen afghanische Drogen im eigenen Land führen müsse. Angesichts von 30.000 Drogentoten im Jahr - die doppelte Zahl der in zehn Kriegsjahren getöteten Sowjetsoldaten - spricht der Kreml oft von einer "afghanischen Heroin-Aggression" gegen Russland.
Anders als der 20. Jahrestag des sowjetischen Rückzugs aus Afghanistan im vergangenen Februar erinnert an das Einmarsch-Datum aber kaum jemand in Russland - zu tief sitzt die Enttäuschung. "Die Sowjetunion hat mit der Afghanistan-Invasion damals ihr eigenes Todesurteil unterschrieben", sagte der Politologe und Publizist Juri Krupnow unlängst in einem Zeitungsinterview. Doch habe der nach Schätzungen bis zu 50 Milliarden US-Dollar teure Krieg damals nicht nur zum Zusammenbruch der UdSSR geführt, sondern auch zu einer Ausweitung der Terrorgefahr auf Zentralasien und den Kaukasus.
Eine offene Wunde

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bittet Moskau um mehr Hilfe im Kampf gegen den Terror.
(Foto: picture alliance / dpa)
Krupnow plädiert dafür, dass die Russen nach Afghanistan zurückkehren. "Mit Afghanistan kann eine echte Auferstehung Russlands möglich sein", meint er. Auch aus Sicht anderer Experten greift die bisherige Hilfe - wie etwa auch die Transiterlaubnis für Militärtransporte - zu kurz. Möglich seien etwa Lieferungen von Maschinenpistolen und schweren Waffen, sagte der Afghanistan-Experte Alexej Arbatow an der Akademie der Wissenschaften in Moskau. Russland könne jedenfalls kein Interesse an einem Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan sowie einer Machtübernahme der Taliban haben.
Auf eine Truppenpräsenz in Afghanistan dürfte sich Russland aber nicht einlassen. In den neun Kriegsjahren wurden insgesamt 620.000 Sowjetsoldaten nach Afghanistan abkommandiert. Das Kontingent umfasste zu Spitzenzeiten 120.000 Mann. Zehntausende wurden verletzt. In dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land sollen während der sowjetischen Invasion 1,2 Millionen Afghanen ums Leben gekommen sein. Die UN-Menschenrechtskommission warf der Sowjetarmee und deren afghanischen Verbündeten 1985 vor, massenhaft Zivilisten zu töten und als Spielzeug getarnte Bomben einzusetzen.
Zwar bemüht sich die russische Propaganda um eine Verklärung der Afghanistan-Invasion - auch als den Beginn des internationalen Anti-Terror-Kampfes. Für die postsowjetische Gesellschaft bleibt das blutige Scheitern aber eine offene Wunde. Afghanistan-Veteranen warten auch 20 Jahre nach ihrer Heimkehr zu Tausenden auf die vom Staat versprochenen Wohnungen. Viele von ihnen sind längst in elenden Verhältnissen gestorben. Oder sie begingen Selbstmord.
Quelle: ntv.de, Ulf Mauder, dpa