Homburger fordert Ende der Streiterei "Müssen klarer kommunizieren"
22.07.2010, 10:30 Uhr
Birgit Homburger schaut optimistisch auf die zweite Jahreshälfte.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine im Grundsatz positive Bilanz der Regierungsarbeit im ersten Halbjahr 2010 gezogen. Wie steht der Koalitionspartner FDP dazu? Ein Interview mit Birgit Homburger, Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten.
n-tv.de: Die Koalition stürzt laut Forsa-Umfrage auf ein Rekordtief. Die Kanzlerin und der Vizekanzler aber haben eine positive Bilanz der Arbeit der Koalition gezogen. Gibt es da keinen Widerspruch?
Birgit Homburger: Wir haben sehr entschieden gehandelt und in der ersten Hälfte dieses Jahres viel auf den Weg gebracht. Das hat die Koalition aber nicht geschlossen nach außen vertreten. Dadurch konnten die Bürger keine klare Linie erkennen. Die Menschen wissen nicht, was die Regierung tatsächlich geleistet hat. Das ist unser Hauptproblem. Deshalb heißt die oberste Devise: Die Streitereien müssen ein Ende haben.
Sind das nur Probleme mit der Kommunikation nach außen oder nicht auch Kommunikationsprobleme innerhalb der Koalition, ja innerhalb der Koalitionsparteien selbst? Die Koalition fasst Beschlüsse, Stichworte: Sparpaket, Flugverkehrssteuer. Und ein paar Tage später ist alles nicht mehr wahr.
Das Sparpaket der Bundesregierung wird von den Koalitionsfraktionen unterstützt. Die Bundesregierung legt jetzt erst einmal einen Haushaltsentwurf vor, der dann ins Parlament geht. Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Sie können also davon ausgehen, dass es noch Änderungen geben wird. Das hat aber nichts mit politischem Streit zu tun, sondern damit, dass man bei der parlamentarischen Detailarbeit manchmal bessere Lösungen findet. Das ist ein völlig normaler Prozess in einer Demokratie.
Noch einmal konkret: Flugverkehrssteuer – ja oder nein?
Die Bundesregierung hat sich grundsätzlich für eine Flugticketabgabe entschieden. Die Frage der Ausgestaltung ist jetzt zu klären. Da plädiere ich für Augenmaß. Vor allem kann dies nur eine Übergangslösung sein, bis der Flugverkehr in den Handel mit CO2-Zertifikaten aufgenommen wird. Das ist 2013 der Fall.
Kommen wir zu einem anderen Streitpunkt, der bislang kaum im Fokus gestanden hat. Die Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, lehnt die Wiedereinführung des Fiskusprivilegs ab, das den Finanzämtern bei Firmenpleiten den ersten Zugriff auf die Konkursmasse sichert. Warum? Das könnte dem Staat doch Zusatzeinnahmen sichern.
Die Sache ist doch die: Wer hat im Falle einer Insolvenz den Zugriff auf das noch vorhandene Geld? Wenn der Staat das Recht des ersten Zugriffs hat, haben Firmen, die Außenstände haben, das Nachsehen. Das wäre für den Mittelstand durchaus problematisch. Am Ende dürfen wir nicht das Problem haben, dass vor allem Handwerksbetriebe, die noch offene Rechnungen haben, bei Insolvenzen leer ausgehen.
Ihr Haushaltsexperte Jürgen Koppelin sagt, wenn man nicht an den geplanten Stellen sparen könne, müsse man an anderen Stellen sparen. An welchen? Außerdem stellt er neue Einsparungen in Milliardenhöhe in Aussicht. Ist das nicht zu starker Tobak?
Überhaupt nicht. Bei den Diskussionen um das Sparpaket geht es darum, wie etwas konkret ausgestaltet wird. Unsere Haushälter sind bei der Haushaltskonsolidierung sehr ambitioniert. Das ist gut.
Nennen Sie doch einmal ein paar Vorschläge.
Das sind viele Detailvorschläge. Da geht es nicht nur um Streichungen, sondern auch wie man Dinge effizienter gestalten kann. Einzelne davon jetzt herauszupicken, würde nur dazu führen, dass sie zerredet werden.
Nach außen entsteht aber trotzdem immer der Eindruck, dass man sich streitet.
Dort, wo man inhaltlich verschiedener Meinung war, hat es tatsächlich politische Auseinandersetzungen gegeben. Es gibt aber auch andere Fragen, bei denen es schlicht und ergreifend darum geht, wie wir die Dinge am besten gestalten, um zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Eine solche Diskussion ist unumgänglich, weil wir in einer Demokratie gut daran tun, Pro und Kontra abzuwägen. Man nimmt dann die Menschen auch besser mit, wenn man sauber erklären kann, warum man sich so entschieden hat.
Bei der Gesundheitsreform gibt es ja weiter Auseinandersetzungen. Ist das ein Grundsatzstreit oder geht es um Fragen der Ausgestaltung im Detail?
Bei der Gesundheitsreform haben wir uns auf einen Kompromiss aus verschiedenen Elementen verständigt. Dieser Kompromiss steht. Den werden wir als Koalition auch so umsetzen. Die Diskussionen, die in diesem Zusammenhang geführt werden, sind Detaildiskussionen. Der Kompromiss insgesamt wird nicht in Frage gestellt.
Die Bundesregierung plane, schreibt die „Berliner Zeitung“, wegen des Sparpakets auf die bis 2014 geplante Senkung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung zu verzichten. Stimmt das?
Ich habe das heute der Presse entnommen. Bis 2014 fließt noch viel Wasser die Spree hinab. Warten wir’s mal ab.
Was macht Ihre Partei, um aus dem Vier-Prozent-Umfragetief herauszukommen?
Das Grundsatzproblem liegt in der schlechten Performance der Koalition. Wir müssen als Koalition unsere Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wir müssen die Haushaltskonsolidierung durchs Parlament bringen, das Energiekonzept und die Gesundheitsreform beschließen. Weiter müssen wir die Frage beantworten, wie die Bildungsleistungen bei Kindern von Hartz-IV-Beziehern gestaltet werden. Das hat uns das Bundesverfassungsgericht auferlegt. Das sind vier Großbaustellen. Wenn wir da klare Entscheidungen treffen, dann sehen die Menschen, dass wir verantwortungsbewusst und entschlossen handeln. Der zweite Punkt ist, dass wir die Dinge, die wir gemeinsam beschließen auch gemeinsam vertreten. So wird draußen auch erkennbar, wofür die Koalition steht. Sie steht nämlich für den erhofften Politikwechsel. Der dritte Punkt: Die FDP muss dafür sorgen, dass die öffentliche Wahrnehmung der Themen der Partei breiter wird. Die FDP hat eine große Themenpalette. Von der Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik über die Bildungspolitik bis zu den Bürgerechten. Gerade bei der Bildungspolitik sieht man den Politikwechsel, der sich seit dem Eintritt der FDP in die Koalition vollzogen hat. Bildung ist der einzige Bereich, in dem nicht gespart wird; es ist der einzige Bereich, in dem wir bis 2013 insgesamt 12 Milliarden Euro mehr ausgeben. Das ist eine Zukunftsinvestition. Das müssen wir einfach sehr viel klarer kommunizieren. Das nationale Stipendienprogramm haben wir schon durchgesetzt.
Hält die Koalition bis 2013?
Selbstverständlich.
Quelle: ntv.de, Mit Birgit Homburger sprach Manfred Bleskin