Dossier

Scharfe Kritik von rechts und links Obama und die Folterknechte

Vor dem mexikanischen Präsidentenpalast Los Pinos blinzelte Barack Obama in die Frühlingssonne und sprach über einen Neuanfang in den Beziehungen zu Lateinamerika. Doch was der US-Präsident am Donnerstagabend bei seinem ersten Mexiko-Besuch zur Außenpolitik zu sagen hatte, wurde übertönt von dem politischen Paukenschlag daheim in Washington. Per schriftlicher Erklärung ließ Obama dort mitteilen, dass CIA-Mitarbeiter für folterähnliche Methoden beim Verhör von Terrorverdächtigen straffrei ausgehen sollen. Damit manövrierte er sich in ein klassisches Dilemma, denn die Kritik bricht nun von beiden Seiten des politischen Spektrums über ihn herein.

Bei der Aufarbeitung des heiklen juristischen Erbes aus der Bush-Zeit hatte Obamas Regierung eine zweigleisige Strategie gewählt. Einserseits veröffentlichte sie vier bislang streng geheime Rechtsgutachten des Justizministeriums aus der Regierung Bush, die dem Geheimdienst in erschütternder bürokratischer Detailverliebtheit die Befugnis zur Misshandlung von Terrorverdächtigen ausstellten. Andererseits beschwichtigte Obama die Furcht der CIA-Mitarbeiter vor juristischen Konsequenzen und sicherte ihnen Straffreiheit zu. Ansonsten hätte er die wichtige Mammutbehörde mit ihren etwa 20.000 Angestellten gegen sich aufgebracht.

Ausgleich und Konsens statt Rache

Im Interessenkonflikt zwischen juristischer Klärung und Staatsräson entschied sich Obama also für einen Mittelweg. "Es ist an der Zeit, nachzudenken und nicht zu vergelten", erklärte Obama. "Wir haben ein dunkles und schmerzhaftes Kapitel unserer Geschichte durchlebt, wir werden aber nichts gewinnen, wenn wir nun unsere Energie für rückwärtsgewandte Schuldzuweisungen aufbrauchen." Vergebung, Ausgleich, Konsens nach den polarisierenden Bush-Jahren: Damit hatte Obama bereits im Wahlkampf geworben, ein Rächer wollte er nie sein.

Vergessen und Verzeihen fällt aber vielen seiner Anhänger schwer, wenn sie die nun veröffentlichten Folter-Memos lesen. Darin empfehlen Bushs Juristen den CIA-Ermittlern, Ohrfeigen möglichst mit gespreizten Fingern zu verabreichen, um sie effektiver zu machen. Schläge in den Unterleib sollen hingegen mit dem Handrücken ausgeführt werden. Die Juristen lassen sich darüber aus, wie Terrorverdächtige zum Zweck der Einschüchterung an die Wand geschmettert werden. Simuliertes Ertrinken ("Waterboarding") wird gestattet, Schlafentzug über mehrere Tage hinweg ebenso. Besonders bizarr: Verdächtige sollen zermürbt werden, indem man sie mit einem Insekt in eine Kiste sperrt.

"Freifahrtschein" für Folterer

An Obamas Basis ist die Empörung groß. Sie kanalisiert sich in Internetforen wie jenem der linksgerichteten "Huffington Post", wo sich binnen Stunden 1500 Leser zu Wort meldeten - vielfach mit Kritik an Obamas Persilschein. "Das ist nur die jüngste in einer ganzen Reihe schrecklicher Entscheidungen", schreibt ein Leser. "Obama wird nie mehr meine Stimme bekommen." Ein anderer notiert enttäuscht: "Obama geht es doch nur ums politische Kalkül, sonst nichts." Die Bürgerrechtsvereinigung Center for Constitutional Rights spricht von einer der "schwersten Enttäuschungen" durch die neue Regierung. Amnesty International beklagt den "Freifahrschein" für Folterer.

Kritik an Obama kommt freilich nicht nur von der enttäuschten Basis. In den vergangenen Tagen wurden in US-Medien immer wieder anonyme CIA-Mitarbeiter zitiert, die Obama vor einer Veröffentlichung der Memos warnten. Obama werde es sich mit dem Geheimdienst verscherzen, hieß es unmissverständlich.

Am Freitag wagten sich Bushs Justizminister Robert Mukasey und sein CIA-Chef Michael Hayden mit einem Meinungsbeitrag für das "Wall Street Journal" aus der Deckung. "Durch die Veröffentlichung hat sich Präsident Obama selbst die Hände bei der Terrorbekämpfung gebunden", kritisieren die Bush-Veteranen. "Die Folge wird bei den Behörden jene Zurückhaltung und Furcht vor Strafe sein, wie sie unsere nachrichtendienstliche Tätigkeit in der Vergangenheit bereits geschwächt hatten und wie wir sie am 11. September 2001 so bitter bedauern mussten."

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

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