Dossier

Mehr Soldaten nach Afghanistan Obamas schwerste Entscheidung

Lange hat sich Obama auf einen Strategiewechsel in Afghanistan vorbereitet. Nun soll seine Grundsatzrede am 1. Dezember die Zweifler überzeugen.

Barack Obama (l, im Gespräch mit General Stanley McChrystal) möchte den Afghanistan-Krieg während seiner Amtszeit beenden.

Barack Obama (l, im Gespräch mit General Stanley McChrystal) möchte den Afghanistan-Krieg während seiner Amtszeit beenden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Präsident hat den Ort seiner Rede mit Bedacht gewählt. Die Militärakademie West Point ist die Eliteschmiede der US-Armee. Seit 1802 bereitet sie Kadetten darauf vor, in herausgehobener Rolle dem Kommando ihres Oberbefehlshabers im Weißen Haus zu folgen. Dem Kommando von Präsident US-Barack Obama mangelte es zuletzt an Klarheit, was den Sinn und das Ziel des verfahrenen Einsatzes in Afghanistan angeht. Am 1. Dezember will er in West Point seine neue Strategie vorstellen. In der Grundsatzrede muss Obama seiner kriegsmüden Nation erklären, wie es am Hindukusch weitergehen soll.

Mit der Kursvorgabe für Afghanistan verbindet Obama sein eigenes politisches Schicksal. "Die Entscheidung wird Obamas Präsidentschaft definieren", prophezeit Anthony Cordesman, einer der führenden Militärexperten in Washington. Der Verlauf des neu konzipierten Militäreinsatzes werde über Obamas Wiederwahl 2012 und über das Urteil der Nachwelt über ihn entscheiden, glaubt der Experte vom Center for Strategic and International Studies: "Obama wird persönlich für den Ausgang des Kriegs in Afghanistan haften."

Interne Debatten und auffallend viele Besprechungen

Obama will die amerikanischen Truppen auf über 100.000 Soldaten aufstocken.

Obama will die amerikanischen Truppen auf über 100.000 Soldaten aufstocken.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Es steht viel auf dem Spiel für Obama. Grundzüge der neuen Strategie sickerten bereits durch. Die 68.000 US-Soldaten werden wohl massiv auf über 100.000 aufgestockt. Die USA wollen den aufständischen Taliban auf breiter Front gegenübertreten und zugleich die Zivilbevölkerung auf ihre Seite ziehen. Das geht nur über personalintensive und gefährliche Einsätze tief drinnen in Afghanistans unwegsamem Gelände. Zugleich wollen die USA die durch Korruption und Misswirtschaft geschwächten politischen Strukturen stabilisieren.

Der Aufwand ist immens: Jeder neue US-Soldat, dies gab Obamas Sprecher zu, verteuert den Einsatz um eine Million Dollar pro Jahr. Die Zahl der getöteten und verwundeten Soldaten dürfte weiter steigen. Obamas Kursbestimmung gingen deshalb lange interne Debatten voraus, die ihm den Vorwurf der Zögerlichkeit einbrachten. Spielraum für weitere Korrekturen hat er kaum, die Entscheidung soll über Jahre Bestand haben. Neun Mal rief Obama sein "Kriegskabinett" aus den Spitzen von Armee und Regierung zusammen. Er habe dabei Widerspruch ermutigt und Kritik verlangt, berichten Eingeweihte gegenüber US-Medien.

Obama muss klar erklären können

Im Kern der Entscheidung stand dabei ein "Dilemma", wie es der Experte Steve Biddle vom Council of Foreign Relations in Washington ausdrückt. Eine Eskalation des Einsatzes garantiere noch keinen Sieg, ein Ende des Einsatzes aber garantiere eine Niederlage mit unabsehbaren Folgen. "Nach unserem Fiasko in Vietnam hat die US-Armee lange Zeit gebraucht, um sich zu erholen", erinnert Biddle.

Den Ausweg aus dem Dilemma wird Obama in Worte fassen müssen. Experte Cordesman hat eine ganze Liste mit Aufgaben erstellt, welche die Rede erfüllen müsste. Obama muss demnach ein klares Ziel benennen und darlegen, dass die USA dieses Ziel auch erreichen können. Er muss klar machen, dass der Einsatz viele Jahre erfordert. Er muss Probleme und Risiken offen aussprechen und Lösungen skizzieren. Er muss einen Zeitplan für das weitere Vorgehen vorlegen und erklären, wie er den Erfolg der einzelnen Schritte überprüfen will. Und der Präsident muss klar erklären, wie ein "Sieg" aussehen könnte, der am Ende des Einsatzes stehen soll.

Eigene Basis gegen Aufstockung

"All dies muss er auf eine Weise tun, die die Welt überzeugt", resümiert Cordesman. Auch für einen rhetorisch versierten Redner wie Obama ist das eine monumentale Aufgabe - zumal er mit seiner Ansprache nicht nur die internationalen Alliierten wie etwa Deutschland davon überzeugen muss mitzuziehen. Obama muss auch seine eigene zunehmend skeptische Basis in den USA beruhigen: Viele Demokraten im Kongress lehnen eine weitere Truppenaufstockung in Afghanistan ab. Sie drohen, dem Präsidenten die Gefolgschaft zu verweigern.

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

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