"Das Glück erzwingen" Oliver Kahn im Interview
19.02.2007, 10:45 UhrWieder eine Niederlage des FC Bayern München in Aachen. Die Generalprobe für das Champions-League-Hinspiel bei Real Madrid ging gründlich schief. Bayern-Kapitän Oliver Kahn stellte sich nach dem 0:1 gegen die Alemannia der Presse.
Werden wir in der Champions League einen anderen FC Bayern erleben als in der Bundesliga?
Bundesliga und Champions League sind zwei völlig verschiedene Wettbewerbe. Man hat in der Vergangenheit schon oft erlebt, dass man sich, wenn es in einem Wettbewerb nicht läuft, im anderen unheimlich steigern kann. Da setze ich voll drauf.
Wieso soll ausgerechnet gegen Real Madrid die Wende gelingen?
Die Dinge, die in der Bundesliga passieren, haben nichts mit dem zu tun, was in der Champions League passiert. Auch Real ist eine Mannschaft, die ein bisschen Probleme hat. Aber auch das spielt keine Rolle. Wenn Real Madrid gegen Bayern München spielen, sind bei denen alle bei hundert Prozent, wie wir auch.
Was muss sich ändern?
Ein Spiel gegen Real Madrid ist - in Anführungszeichen - einfacher als in Aachen. Es ist psychologisch nicht so schwierig. Man ist nicht in der Favoritenrolle, man hat nicht so viel zu verlieren wie in Aachen. In Madrid sind 80.000 Zuschauer im Stadion, da ist die Motivation von alleine da. Es geht darum, dort ein gutes Ergebnis zu erzielen, damit man im Rückspiel noch alle Fäden in der Hand hält.
Wie können Sie Ihre Kollegen erreichen, damit auch diese hundert Prozent Einstellung zeigen, wie Sie beim 0:1 in Aachen?
Man kann es nur vorleben. Man muss auch mal appellieren an die Spieler, dass sie sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Verein bewusst sind. Bayern München gibt uns Spielern immer sehr viel. Jetzt ist es an der Zeit, etwas zurückzugeben. Das ist eine Charakterfrage. Wenn ich da nicht leidenschaftlich bin und alles aus mir heraushole, dann bin ich hier fehl am Platze und muss mir einen anderen Verein suchen.
Kann man den Schalter in Madrid einfach so umlegen?
Es hängt im Fußball von Kleinigkeiten ab. Wenn du dort 1:0 in Führung gehst, entwickeln sich auf einmal völlig neue Dinge, die das Selbstvertrauen zurückbringen. Ich habe am Samstag im Fernsehen Real Madrid gegen Betis Sevilla gesehen. Da hat man gesehen, dass die Mannschaft auch nicht richtig frei ist. Ich muss allerdings die Leidenschaft und Aggressivität mitbringen und das Glück erzwingen.
Sie haben das Bayern-Gen im Körper. Die sportliche Talfahrt wollen Sie anscheinend nicht widerstandslos akzeptieren?
Ja, natürlich nicht. Ich habe eine gewisse Ehre in mir. Ich spiele seit über einem Jahrzehnt für Bayern München. Ich kann nicht zufrieden sein, wenn ich mich ständig hier auswärts vorführen lasse und Häme ertragen muss. Da muss ich doch mal irgendwann Reaktion zeigen. Aber da braucht es jetzt die Kerle und Jungs, die sich gegen diese Situation stemmen. Ich hoffe nicht, dass es dem einen oder anderen am Arsch vorbei geht. Das wäre fatal.
Sie spielen zum elften Mal gegen Real in der Champions League. Hat das aktuelle Bayern-Team noch die Qualität früherer Jahre?
Wenn man nur die Qualität der einzelnen Spieler sieht, haben wir das Potenzial wie 1999, 2000 oder 2001. Aber dann muss man dieses Potenzial auch einmal entfalten. Jetzt muss der Knoten platzen. Vielleicht hat dieses Spiel einen ganz entscheidenden Faktor für uns. Wenn wir da gut spielen und weiterkommen, gibt uns das einen wahnsinnigen Schub, um dann unser Ziel, Platz drei in der Bundesliga, noch zu erreichen.
Die deutsche Meisterschaft haben Sie also abgehakt. Darf der FC Bayern denn in der Champions League noch vom Titelgewinn träumen?
Natürlich - warum nicht? Wir treten in jedem Wettbewerb an, um ihn zu gewinnen. Das ist der Anspruch, den der Verein hat. Ich habe schon so viele Sachen erlebt. Es ist möglich, aber dann muss man diese Dinge auch erzwingen.
Aufgezeichnet von Klaus Bergmann, dpa
Quelle: ntv.de