Dossier

Entrümpelung der Lehrpläne Osten gegen Stunden-Kürzung

Die von mehreren CDU-Ministerpräsidenten geforderte "Entrümpelung" des achtjährigen Gymnasiums (G8) stößt in zahlreichen Bundesländern auf Widerstand. Die meisten ostdeutschen Länder wenden sich gegen eine Kürzung der 265 Jahreswochenstunden bis zum Abitur, wie eine dpa-Umfrage ergab.

"Das wäre eine Steilvorlage für alle Kritiker des achtjährigen gymnasialen Bildungsganges", sagte Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos). Auch die Forderung aus Baden-Württemberg, Fachstunden zu streichen, um Platz für die Betreuung der Hausaufgaben zu gewinnen, findet nur wenig Zustimmung. Viele Länder haben bereis flexible Lehrpläne und entsprechende Angebote in Ganztagsschulen.

In der Kultusministerkonferenz (KMK) wird über eine Reform der Bildungspläne diskutiert, weil die Einführung des Abiturs nach 12 Jahren in manchen Ländern eine höhere Belastung der Schüler zur Folge hatte. Die CDU-Regierungschefs Christian Wulff (Niedersachsen), Günther Oettinger (Baden-Württemberg) und Ole von Beust (Hamburg) wollen Unterricht streichen.

Seit 1995 ist es nach KMK-Beschlüssen den Ländern freigestellt, das Abitur auch schon nach zwölf Jahren zu vergeben. Voraussetzung für eine gegenseitige Anerkennung ist aber, dass von der fünften Klasse bis zur Reifeprüfung mindestens 265 Wochenstunden Unterricht erteilt werden.

"Unter der Voraussetzung, dass es ein bundesweit einheitliches Abitur gibt, könnte SACHSEN einer Reform des Gymnasiums zustimmen", sagte Kultusminister Steffen Flath (CDU). "Ansonsten gibt es ein klares Nein zu den entsprechenden Reformvorschlägen." In THÜRINGEN gibt es keinen Eltern-Protest gegen das G8. "Entscheidend für das Gelingen war, dass wir die Lehrpläne entschlackt haben", sagte ein Sprecher des Kultusministeriums. Dies sei aber schon 1999 geschehen. Für SACHSEN-ANHALT sagte Minister Olbertz: "Es scheint vergessen worden zu sein, dass die 265-Stunden-Regelung seinerzeit gerade auf Initiative der alten Länder gefordert und eingeführt wurde."

Auch in BRANDENBURG gibt es keine Kürzungspläne. De facto seien die meisten Gymnasien schon eine Art Ganztagsschule, da viel Unterricht am Nachmittag liege und es auch Mittagessen gebe, sagte Stefan Breiding vom Kulturressort. In MECKLENBURG-VORPOMMERN sollen die Gymnasien selbst den Schulalltag organisieren - Selbstlernphasen inbegriffen. "Diese Organisation ist ohne finanziellen Mehraufwand leistbar", sagte Ulf Tielking vom Schweriner Bildungsressort. Von den 58 Gymnasien im Nordosten sind 38 Ganztagsschulen.

Auch in SCHLESWIG-HOLSTEIN haben die Schulen nach den Worten der Ministeriumssprecherin bereits die notwendigen Spielräume, weil die Lehrpläne kaum detaillierte Vorgaben zum Lernstoff machen. Im Norden sind 47 der 99 Gymnasien Ganztagsschulen - dort können die Schüler Mittag essen und werden bei den Hausaufgaben betreut. Das CDU- geführte NORDRHEIN-WESTFALEN will an den 265 Stunden festhalten. In BREMEN besteht "kein Handlungsbedarf, die Stundenzahl auszudünnen".

Für eine "Entrümpelung" der Lehrpläne sind dagegen die CDU-geführten Länder Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Saarland. Auch in BERLIN will der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Stunden streichen und mehr Gymnasien zu Ganztagsschulen ausbauen.

Der KMK-Beschluss zur Überprüfung der G8-Erfahrungen kam aus HESSEN. Die KMK-Präsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte ihre Unterstützung für eine Straffung der Lehrpläne erklärt. Die Bildungsministerin im SAARLAND will den Vorschlag, Hausaufgaben in den Schulablauf zu integrieren, sorgfältig prüfen. In HAMBURG will Bürgermeister Ole von Beust 14 der 265 Jahreswochenstunden streichen.

BADEN-WÜRTTEMBERG will bei den Fachstunden Kürzungen vornehmen, um mehr Zeit für die Hausaufgabenbetreuung in der Schule zu gewinnen. "Schüler sollen freihaben, wenn sie am späten Nachmittag aus der Schule kommen", sagte Kultusminister Helmut Rau (CDU). Im Südwesten sind 65 von 377 Gymnasien Ganztagsschulen. In BAYERN soll nach Ostern entschieden werden, ob es weitere minimale Kürzungen im Lehrplan gibt. Allerdings liegt die Gesamtwochenstundenzahl dort zwischen 260 und 266. An knapp der Hälfte der 400 Gymnasien gibt es laut Ministerium Hausaufgabenbetreuung und Mittagessen.

In NIEDERSACHSEN gibt es noch keine Festlegung, wie viele Stunden gestrichen werden sollen. Auch hier sind bereits 40 Prozent der Gymnasien Ganztagsschulen. RHEINLAND-PFALZ geht einen Sonderweg; dort legen die Schüler ihr Abitur nach zwölfeinhalb Jahren ab.

Quelle: ntv.de

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