Der ungeliebte Präsident Pakistan vor der Wahl
01.10.2007, 18:09 UhrDer Appell des pakistanischen Premierministers Shaukat Aziz verhallte ungehört. "Lasst uns alle dieses bahnbrechende Urteil mit Anstand und Würde akzeptieren", sagte Aziz nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts, Militärmachthaber Pervez Musharraf eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl an diesem Samstag zu erlauben. Noch vor Aziz' Aufruf planten die Anwälte - die Speerspitze des friedlichen Protests gegen Musharraf - bereits ihre Proteste. Am Montag demonstrierten tausende Pakistaner. Musharrafs Bestätigung im Amt wird den Widerstand kaum brechen. Der Atommacht Pakistan stehen unruhige Zeiten bevor.
Musharrafs Sieg am Samstag gilt als wahrscheinlich, was nur dem Wahlsystem des Landes geschuldet ist. Die Abgeordneten aus dem Parlament in Islamabad und den vier Provinzparlamenten bestimmen den Präsidenten, unter ihnen dürfte Musharraf eine Mehrheit haben. Zudem haben Oppositionsparteien angedroht, ihre Abgeordneten würden die Mandate niederlegen und die Wahl boykottieren. Das würde Musharrafs Stimmenanteil deutlich erhöhen - aber zugleich die demokratische Legitimation in Frage stellen. Die ist ohnehin umstritten. Musharraf will sich kurz vor dem Ende der Legislaturperiode der Parlamente im Amt bestätigen lassen. Unter den neu gewählten Abgeordneten, so befürchtet er, könnten seine Befürworter in der Minderheit sein.
Wenn Musharraf direkt vom Volk gewählt würde, müsste der zunehmend unbeliebte Präsident am Samstag wohl ein Wahldebakel befürchten. Nicht nur muslimische Extremisten - die viel für Schlagzeilen sorgen, aber nur einen kleinen Teil der Bevölkerung ausmachen - haben sich vom Präsidenten abgewandt, den sie wegen seiner Nähe zu den USA verachten. Bürgerliche Pakistaner stieß Musharraf spätestens im März vor den Kopf, als er ohne Nennung von Gründen den obersten Verfassungsrichter Iftikhar Chaudhry suspendierte. Chaudhry hatte zuvor unbequeme Fragen gestellt - etwa danach, wo die Menschen hin sind, deren Spur sich nach Festnahmen durch die Polizei verlor.
Mit Chaudhrys willkürlicher Supendierung brachte Musharraf weite Teile des Volkes endgültig gegen sich auf. Die Geschichte geriet für ihn zum Debakel und stürzte seine Regierung in eine bis heute andauernde Krise. Die Anwälte mobilisierten schon damals die Massen. Im Juli entschied das Verfassungsgericht, der in Ungnade gefallene Richter müsse wieder eingesetzt werden. Musharraf musste sich beugen. Nun führen die Anwälte wieder die Proteste an. Als sie am Samstag in Islamabad gegen Musharrafs Kandidatur demonstrierten, knüppelte die Polizei Dutzende von ihnen nieder, auch Journalisten wurden verletzt. Doch die Demonstranten trotzen den Schlagstöcken.
Am Montag gingen bereits deutlich mehr Musharraf-Gegner auf die Straße als am Samstag. Nicht nur in Islamabad, auch in anderen pakistanischen Städten demonstrierten sie - "um gegen die faschistische Praxis des Musharraf-Regimes zu protestieren, jede abweichende Stimme zu unterdrücken", sagte der Chef der Anwaltskammer am Verfassungsgericht, Munir Malik. Juristisch wird die Kandidatur des Generals kaum noch zu verhindern sein, auch wenn seine Gegner weiter klagen wollen. Wie lange sich der Präsident nach der Wahl aber an der Macht wird halten können, ist offen.
Musharraf, der sich 1999 unblutig an die Macht geputscht hatte und an dem vor allem die USA unbeirrt festhalten, wird schon bald eine wichtige Machtbasis verlieren, wenn er sein Wort hält: Er hat angekündigt, nach seiner geplanten Wiederwahl am Samstag, aber noch vor seiner Vereidigung als Präsident vom Posten des Armeechefs zurückzutreten. In den Tagen nach der Abstimmung steht Musharraf eine weitere Bewährungsprobe bevor: Seine gefürchtete Widersacherin, Ex- Premierministerin Benazir Bhutto, hat für den 18. Oktober ihre Rückkehr aus dem selbstgewählten Exil angekündigt.
Die Chefin der Pakistanischen Volkspartei (PPP) und Musharraf haben in den vergangenen Monaten erfolglos über Bhuttos Teilhabe an der Macht verhandelt. Sie würde gerne wieder Premierministerin werden. Musharraf hat dieses Amt weitgehend entmachtet. Bhutto würde nach Ansicht von Beobachtern deshalb darauf bestehen, es wieder aufzuwerten. Eine mögliche Einigung würde Musharraf zwar im Präsidentenamt halten, ihn allerdings noch schwächer machen, als er es ohne Uniform sowieso schon sein wird. Ohne einen Kompromiss aber werden nach Bhuttos Ankunft nicht nur die Anwälte und ihre Unterstützer, sondern auch die zahlreichen PPP-Anhänger gegen Musharraf auf die Straße strömen.
Can Merey, dpa
Quelle: ntv.de