Machtkampf bei Frankreichs PS Parteispitze wird weiblich
21.11.2008, 12:21 UhrErst galt ein bekennender Schwuler als Favorit für den Parteivorsitz, am Ende standen sich zwei Frauen in der Stichwahl gegenüber. Auf dem jüngsten Parteitag der französischen Sozialisten traten gleich mehrere Redner mit afrikanischen oder asiatischen Wurzeln auf. So gesehen gibt sich die PS als moderne Partei, in der man nicht männlich, weiß und heterosexuell sein muss, um nach oben zu kommen. Die lange Suche nach einer neuen Parteispitze, die von fiesen Randbemerkungen und derber Kritik aus den eigenen Reihen geprägt war, blieb bis zuletzt spannend - schon deswegen, weil es auch eine Vorentscheidung für die Präsidentschaftswahl 2012 ist.
Martine Aubry, die leicht spröde wirkende Schöpferin der gesetzlichen 35-Stunden-Woche, galt am Freitag als Favoritin. Die 58-Jährige hatte den Pariser Bürgermeister Bertrand Delano durch taktische Manöver ausgebootet und sich mit ihren Beschwörungen der linken Tradition erfolgreich von Sgolne Royal (55) abgesetzt. Delano musste erst seine Wut kühlen, bis er seine Anhänger zur Wahl von Aubry aufrief. Royal, Ex-Präsidentschaftskandidatin und "femme fatale" der Sozialisten, war vielen Anhängern durch ihre exaltierten Auftritte zuletzt kräftig auf die Nerven gegangen.
Ideologisch unterscheidet die beiden Frauen letztlich nicht viel. Als Hauptstreitpunkt galt die Frage, ob die Sozialisten 2012 mit der Zentrumspartei MoDem eine Koalition eingehen würden. Royal hatte dies bereits im vergangenen Jahr versucht und zwischen beiden Wahlgängen dem MoDem-Chef Franois Bayrou ohne parteiinterne Absprache den Posten des Premierministers angeboten. Aubry, die von einem Teil der alten Garde unterstützt wird, wetterte kräftig dagegen und betonte, dass die Partei "links verankert" sein müsse.
Kritiker warfen ihr allerdings vor, dass sie als Bürgermeisterin von Lille selber mit MoDem zusammengegangen sei. Um den Sozialisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, ließ Bayrou am Ende wissen, dass er ohnehin nicht an einer Koalition mit ihnen interessiert sei.
Was die beiden Frauen so unterschiedlich macht, sind vielmehr ihre Herkunft und ihr Politikstil. Aubry ist die Tochter des immer noch hoch geschätzten Sozialisten Jacques Delors, der zehn Jahre lang der EU-Kommission vorstand. Sie gleicht ihrem Vater in ihrer nüchternen und arbeitswütigen Art. In ihrem Wahlprogramm kamen die Worte "links" und "ich will" am häufigsten vor. Royal hingegen stammt aus einer kinderreichen, erzkonservativen Familie, von der sie sich bewusst absetzte - unter anderem, indem sie den Vater ihrer vier Kinder, den jetzt scheidenden Parteichef Franois Hollande, nicht heiratete.
Royal versuchte sich im Wahlkampf nach amerikanischer Art und setzte auf Bühnenshows und "Kontakt zum Volk". Die Delegierten des Parteitags pfiffen sie dafür gründlich aus, doch bei den schlichten Mitgliedern, die letztlich über die Parteispitze abstimmen, kommt ihre betont unkonventionelle Art gut an. Royal setzte sich unter anderem für eine Verringerung des Mitgliedsbeitrags ein - was ihr den Vorwurf eintrug, sie wolle sich von "20-Euro-Sozialisten" wählen lassen, die der Partei anschließend den Rücken kehren.
Das Zünglein an der Waage sollte schließlich der 41-jährige Radikallinke Benot Hamon spielen. Obwohl Royal ihn mit einem Posten locken wollte, rief er zur Wahl von Aubry auf. Rechnerisch lag sie damit vorn - doch bei den französischen Sozialisten waren Überraschungen nie ausgeschlossen.
Quelle: ntv.de