Keine Konspiration in Hessen Plaudern bei Hefeteilchen
09.09.2008, 18:28 UhrSo geheim war das historische Treffen dann doch nicht. Ganz offen spazierten die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti und die Führung der Linkspartei am Dienstag vom Wiesbadener Landtag in die SPD-Landesgeschäftsstelle, um erstmals über eine Kooperation zu sprechen. Zuvor hatten beide Parteien den Treffpunkt konspirativ über Tage verschwiegen, die CDU kritisierte "heimliche Gespräche mit den Kommunisten". Vor vielen Kameras bahnte sich ein knappes Dutzend Linker den Weg zu dem Gründerzeitbau, der im Erdgeschoss Geschäfte für Luxusküchen und Luxusmode beherbergt.
Ypsilanti hat mit dem Treffen bei süßen Hefeteilchen einen weiteren Schritt gemacht zu ihrem Ziel, die geschäftsführende Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) abzulösen. Die Tatsache der Begegnung mit der Linken - von CDU und FDP als Tabubruch gewertet - war wichtig, weniger der Gesprächsinhalt. Um politische Inhalte sei es bei dem "konstruktiven Gespräch in angenehmer Atmosphäre" noch nicht gegangen, berichtete Ypsilanti nach einer Stunde.
Die Sondierungen sollen fortgesetzt werden. Bis zu einer möglichen Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken gilt es noch viele Hürden zu überwinden. Am Dienstag ging es vor allem um eine Koordinierung der Zeitpläne.
Die Zeit für die Zusammenstellung des neuen Bündnisses ist denkbar knapp, was vor allem an dem langen "Selbstfindungsprozess der SPD" (Linken-Fraktionschef Willi van Ooyen) liegt. Erst am 4. Oktober soll ein SPD-Parteitag offiziell Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und Gespräche über eine Tolerierung mit der Linkspartei beschließen. Bereits zwei Wochen später am 18. Oktober wollen die Linken auf ihrem Parteitag über das Ergebnis beraten, das dann vorliegen müsste. Laut Satzung ist bei ihnen eine Urabstimmung unter den etwa 2400 Mitgliedern notwendig. Die SPD will am 1. November, der grüne Bündnispartner am 2. November den Koalitionsvertrag absegnen.
Inhaltlich streiten sich die drei Parteien über den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Die SPD ist dafür und ist auch skeptisch, dass eine neue Regierung noch etwas gegen die offiziell genehmigten 17 Nachtflüge unternehmen kann. Grüne und Linke sind gegen den Ausbau, ein vollständiges Nachtflugverbot ist für sie Mindestziel.
Während die SPD jeweils mit Grünen und Linkspartei gut auskommt, hakt es zwischen diesen beiden Parteien. Die Grünen wollen sich als Partei der sparsamen Haushaltsführung profilieren. Sie präsentierten am Montag einen Vorschlag, bei den Gehaltserhöhungen für höherverdienende Beamte zu sparen. Die CDU-Regierung hat das Geld bereits zugestanden. "Die Linke ist erstaunt, dass ausgerechnet die Grünen (...) Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Beamtinnen und Beamten austragen wollen", kritisierte der Linken-Abgeordnete Hermann Schaus.
Auch die SPD-Forderung nach einem Doppelhaushalt für 2009 und 2010 stößt auf wenig Gegenliebe. "Das betrachten wir als absolut unseriös, im Vorfeld Blankoschecks auszustellen", sagte die Linken-Vorsitzende Ulrike Eifler dem Radiosender rbb. Man wolle erst einmal die neue Sozialpolitik in diesem Budget verankert sehen.
Von der neuen SPD-Führung mit Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier wird sich Ypsilanti wohl nicht aufhalten lassen, auch wenn die beiden kritischer zum Linkskurs der Hessen stehen als der bisherige Parteichef Kurt Beck. Ypsilanti tat Presseberichte ab, wonach Steinmeier versuche, Abweichler unter den 42 SPD-Abgeordneten zu finden. "Ich halte das für absoluten Quatsch", sagte sie.
Von Friedemann Kohler, dpa
Quelle: ntv.de