Dossier

"Blitzkrieg in den Medien" Propaganda auf beiden Seiten

"Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit". Der Satz ist so abgedroschen wie richtig. Auch zwischen Georgien und Russland sind Fernsehbilder, flammende Erklärungen und kaum überprüfbare Behauptungen zum Verlauf der Kämpfe zu scharfen Waffen geworden.

Militärisch mag Georgien unterlegen sein, auf dem Schlachtfeld der Propaganda sehen viele das kleine Land als Sieger. Die Russen hätten ihre Gegner den "Blitzkrieg in den Medien" gewinnen lassen, monierte die russische Tageszeitung "Wedomosti". Der Kreml schaffe es nicht, der internationalen Gemeinschaft seine Positionen zu vermitteln, konstatierte auch der unabhängige Kommentator Alexander Golts.

Tatsächlich wird der georgische Präsident Michail Saakaschwili von einem Team westlicher Kommunikationsexperten unterstützt, die ausländische Reporter geradezu mit Mitteilungen auf Englisch überschütten. Auch manche seiner öffentlichen Erklärungen gibt der georgische Präsident auf Englisch ab - vor dem Hintergrund einer europäischen Flagge. "Wenn Georgien fällt, dann bedeutet das auch den Sturz des Westens in der ganzen ehemaligen Sowjetunion und darüber hinaus", schrieb er in einem Beitrag für das "Wall Street Journal Europe".

In Georgien ist seit Samstag nicht nur die Verbreitung russischer Fernsehbilder verboten, auch russische Websites sind nur sehr eingeschränkt erreichbar. Zur Begründung erklärte die Regierung in Tiflis, der Kreml mache "Propaganda in bester sowjetischer Tradition".

Der Vorwurf selbst mag nicht unberechtigt sein, ist jedoch selbst Teil eigener Propaganda. Die georgische Offensive begann kurz nachdem Saakaschwili seinen Truppen über das Fernsehen einen Waffenstillstand befohlen hatte. Georgien hat im Verlauf der Kämpfe zwei Mal einen Waffenstillstand verkündet. Unklar ist, ob die georgischen Truppen - wie von der Gegenseite behauptet - trotzdem weiterkämpften.

Völlig unklar blieb zunächst auch das Ausmaß der Kämpfe im georgischen Kernland. Saakaschwili sagte am Dienstagmorgen, russische Truppen hätten den "größten Teil" Georgiens besetzt. Tags zuvor hatte der Leiter des georgischen Nationalen Sicherheitsrats, Alexander Lomaia, gesagt, russische Truppen hätten die Stadt Gori besetzt, korrigierte dies später jedoch selbst: Die russischen Truppen hätten lediglich Stellungen nahe Gori eingenommen. In die Stadt selbst seien die russischen Einheiten nicht eingerückt. Russische Einheiten waren offenbar auch in Poti am Schwarzen Meer und in der westgeorgischen Stadt Senaki. Der Abzug der Russen aus Senaki war von Georgien allerdings schon am Montagabend bestätigt worden.

Schon vor der militärischen Eskalation am vergangenen Freitag hatte es zahllose Scharmützel, Manöver und Drohgebärden im Konflikt um Südossetien gegeben. Auch die spätere Propagandaschlacht bahnte sich damals schon an. Wiederholt drohte der russische Regierungschef Wladimir Putin dem Nachbarland, er werde sich bei einer Eskalation des Konflikts nicht aus den Kämpfen heraushalten. Nach Beginn des Kriegs warf Putin Georgien vor, einen "Völkermord" am ossetischen Volk zu begehen. Drei Tage später warf Saakaschwili Russland "ethnische Säuberung" in Abchasien vor.

Auch die Zahl der Opfer ist Teil der Propagandakämpfe. Gleich am zweiten Tag nach der georgischen Offensive gegen Südossetien sprach Medwedew von "tausenden Toten". Später war in Moskau von 2000 Toten die Rede. Tiflis wies eine so hohe Zahl als "unverhohlene Lüge" zurück. Als Putin wenige Stunden später von "dutzenden Toten und hunderten Verletzten" sprach, war die Überraschung auf beiden Seiten groß. In den Fernsehnachrichten tauchten die nach unten revidierten Zahlen später nicht mehr auf.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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