Dossier

Steine gegen Schlagstöcke Randale in Kreuzberg

Letzte Hoffnungen auf einen friedlichen 1. Mai starben nach 100 Metern. So weit kam die "Revolutionäre 1. Mai Demonstration" in Berlin-Kreuzberg, bis aus dem schwarzen Block von Linksradikalem die ersten Steine und Flaschen auf Polizisten fliegen. Nicht erst in der Dunkelheit, sondern bereits im abendlichen Sonnenschein zeigen die schwarz Vermummten klar, was sie nicht wollten: eine ruhige Nacht. Die Berliner Polizei und ihre Hilfstruppen aus anderen Bundesländern müssen bis in die Nacht immer wieder dem Steinhagel entgegentreten und brennende Müllcontainer löschen, bis Ruhe einkehrt.

In den zurückliegenden Wochen hatte es immer wieder Warnungen gegeben, die Krawalle könnten diesmal schlimmer ausfallen als in den vergangenen Jahren. Ständige Brandanschläge von Linksextremen auf Autos und spontane nächtliche Randale verschafften der gewaltbereiten Szene so viel Aufmerksamkeit wie schon lange nicht mehr. "Natürlich werden die dadurch auch motiviert", sagte ein Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden vor wenigen Wochen. Als dann drei Tage vor dem 1. Mai Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ein Caf in Friedrichshain verlassen muss, weil sich vor dem Eingang immer mehr junge Leute aufbauten, wirkt das wie ein schlechtes Omen.

Angriffe gegen Polizisten

Ähnlich deplatziert wie zuvor ihr Senator schienen zeitweilig auch die Polizeitrupps in Kreuzberg. 400 Menschen marschieren im schwarzen Block mit - deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. Und deren gezielter Eskalationsstrategie kann die Polizei anfangs wenig entgegensetzen. Auch als die Demonstration nach dem ersten Gewaltausbruch weitergeht, werfen schwarz gekleidete Männer Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper auf Polizisten entlang der Strecke.

Steine fliegen auch in die Scheiben einer Bushaltestelle, zwei verirrte Wurfgeschosse landen in den Fenstern im 1. Stock eines Mietshauses. An einer Feuerwache greifen die Randalierer zwei Polizisten vor ihren Autos an. Nur knapp können die Beamten sich retten. "Das war extrem", sagt Polizeisprecher Frank Millert später. Die Demonstrationsroute wird abgekürzt, in der Dämmerung erreicht der Zug das Kottbusser Tor. Hier nimmt die Gewalt noch zu.

Immer wieder bricht Gewalt auf

Die wenigen Polizeitrupps, die um den Platz unter der Hochbahn postiert sind, werden mit Steinhageln zurückgedrängt. Unterstützt werden die Autonomen von Hunderten Randalierern, die sich um den Platz drängen. Selbst als vier Sanitäter neben einer Gruppe von Polizisten einen blutenden Mann behandeln, fliegen weiter Steine. Wenige Meter weiter wirft ein Mann zwei mit Benzin gefüllte Ballons auf Polizisten, trifft aber nur den Asphalt, auf dem die Flammen hochschießen.

Im Gegenzug stürmen die Polizisten mit Helmen und Schutzanzügen in die Menge, bahnen sich mit Schlagstöcken den Weg und versprühen Tränengas. Eine Stunde braucht die Polizei, bis sie am Kottbusser Tor gegen 21.30 die Lage halbwegs im Griff hat. In den umliegenden Straßen flammt die Gewalt aber in den nächsten vier Stunden immer wieder auf.

Während tausende Menschen auf der Oranienstraße feiern, zünden Vermummte, angetrunkene Chaoten oder junge Ausländer Müllcontainer an. Um die Feuer versammeln sich grölende junge Männer. Die Polizei kontert mit Pfefferspray und versucht, die Menge zu zerstreuen. Krankenwagen fahren vor, Sanitäter versorgen blutende Menschen. Humpelnde Polizisten verlassen auf Kollegen gestützt den Ort.

Bilanz der Verletzten noch nicht bekannt

Wie viele Verletzte es auf beiden Seiten gibt und wie viele Menschen die Polizei im Lauf der Nacht festnimmt, wollen Senator Körting und Polizeipräsident Dieter Glietsch erst am 2. Mai bei einer Pressekonferenz zur Bilanz der 1. Mai-Nacht bekanntgeben.

Schon am Vormittag des 1. Mai war eine Demonstration gegen eine Kundgebung der rechtsextremen NPD weitgehend friedlich verlaufen. Abends endete auch das Basketball-Halbfinalspiel der EuroLeague Piräus gegen Athen ohne die befürchteten Schlachten zwischen den verfeindeten Fanblöcken. Die Wünsche der vergangenen Jahre, dass die seit 1987 wiederkehrende Gewalt am Abend des 1. Mai weiter abnimmt und in absehbarer Zeit ein völlig friedliches Fest möglich ist, wurden in diesem Jahr allerdings nicht erfüllt.

Andreas Rabenstein, dpa

Quelle: ntv.de

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