Georgien hat die Wahl Saakaschwili alternativlos
30.12.2007, 12:02 UhrSeinen Gegnern hat Michail Saakaschwili - Georgiens Held der Rosenrevolution von 2003 und Staatspräsident von Januar 2004 bis November 2007 - keine zwei Monate Zeit gelassen, sich für das Präsidentenamt in Stellung zu bringen. Bei der vorgezogenen Wahl am 5. Januar gilt der 40-Jährige, der im November Straßenproteste niederknüppeln ließ und den Ausnahmezustand über das Land verhängte, laut Umfragen als Favorit unter den sieben Bewerbern. Seine Kritiker werfen dem prowestlichen Politiker vor, er führe die Kaukasusrepublik wie ein "Diktator". Doch die ungeeinte Opposition hat es nicht geschafft, Saakaschwili eine aussichtsreiche Alternative entgegenzusetzen.
"Bei uns herrschen absolutes Elend und Hunger", sagt der 2003 gestürzte Präsident Eduard Schewardnadse (79). "Wenn Saakaschwili nur die Hälfte von dem, was er jetzt ankündigt, früher gemacht hätte, dann wäre es ruhig geblieben in Georgien", meint der letzte sowjetische Außenminister. Saakaschwili und einer seiner Gegenspieler, der im Londoner Exil lebende Oligarch Badri Patarkazischwili, überboten sich im Wahlkampf gegenseitig mit Wahlversprechen.
Kostenlose Energie oder Wohlstand
In seinem Programm "Georgien ohne Armut" versprach Saakaschwili den 4,7 Millionen Einwohnern bessere medizinische Versorgung, höhere Einkommen im Staatsdienst, steigende Renten und Stipendien, günstige Kredite für Unternehmensgründer und Computer für die besten Schüler des Landes. Patarkazischwili bot kostenloses "Licht und Gas", ein Beschäftigungsprogramm, Kindergeld und Hilfen für die Bauern.
Mehrere Millionen Euro hat der in den USA ausgebildete Saakaschwili für seinen Wahlkampf ausgegeben. Die Kandidaten der Opposition beklagten dagegen massive Behinderungen während der Kampagne. Allen voran der Milliardär Patarkazischwili, der von Saakaschwili als "Lakai" Russlands beschimpft wurde. Als Miteigentümer des einflussreichen und zeitweilig stillgelegten Senders "Imedi TV" fiel er bei Georgiens Staatsmacht wegen eines angeblich inszenierten "Staatsstreiches" in Ungnade.
Gegner haben es schwer
Als einziger Kandidat eines Oppositionsbündnisses versuchte der Weinunternehmer Lewan Gatschetschiladse, statt mit populistischen Parolen sachlich für eine Stärkung der Demokratie und ein Ende der Günstlingswirtschaft zu argumentieren. Doch die Bürger verlangen vor allem nach besseren Lebensstandards. Hauptursache von Georgiens Krise sei, dass es kein Konzept für die wirtschaftlich-soziale Entwicklung des Landes gebe, sagt der Koordinator der Wählervereinigung für ein Geeintes Georgien, Josef Ugrelidse. Er warnt davor, Georgien weiter zum "Spielball" russischer und amerikanischer Interessen zu machen.
Wie Gatschetschiladse sind viele Oppositionsführer frühere Weggefährten von Saakaschwili, die nicht viel mehr eint als ihre Ablehnung des gegenwärtigen Systems. Für Aufsehen sorgte auch der Fall des früheren Verteidigungsministers Irakli Okruaschwili. Der Politiker war im September in Georgien unter dem Vorwurf der Untreue verhaftet worden, nachdem er Saakaschwili schwere Verbrechen bis hin zum Auftragsmord vorgeworfen hatte. Gegen Kaution kam er frei und setzte sich nach Deutschland ab, wo er derzeit in Abschiebehaft auf Asyl hofft.
Verschärfte Beziehungen zu Russland
Unter Saakaschwili, der wie die Opposition eine Mitgliedschaft Georgiens in der NATO und der EU anstrebt, haben sich die Beziehungen zu Russland drastisch verschlechtert. Georgiens Bauern und Winzer leiden unter einem russischen Wirtschaftsembargo. Zwischen Moskau und Tiflis gibt es keine Direktflüge. Die oft verwandtschaftlich verbundenen Menschen der Ex-Sowjetrepubliken beklagen Behinderungen im Reiseverkehr. Ungelöst sind zudem die Konflikte um die von Georgien abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien.
Politologen erwarten deutliche Stimmenverluste für Saakaschwili, der 2004 mit rund 96 Prozent gewann und laut aktuellen Umfragen bei etwa 36 Prozent liegen dürfte. Der Großteil der Experten rechnet daher mit einem zweiten Wahlgang. "Die Behörden tun alles, damit die Wahlen so demokratisch wie möglich ablaufen", sagt die Parlamentsvorsitzende und Interims-Staatschefin Nino Burdschanadse. Ex-Präsident Schewardnadse ist überzeugt, dass es im Fall einer Niederlage Saakaschwilis "zu Unruhen oder sogar einem Bürgerkrieg" kommen könnte.
Von Ulf Mauder, dpa
Quelle: ntv.de