Dossier

"... und haltet die Klappe" Sarkozy neuer NATO-Trick

Mit einem politischen Taschenspielertrick bugsiert Nicolas Sarkozy das widerstrebende konservative Frankreich zurück in die NATO-Integration. Er verband die Debatte im Parlament mit einer Vertrauensabstimmung über die gesamte Außenpolitik seiner Regierung, für die zudem sein getreuer Premierminister Franois Fillon geradezustehen hat. "Die Exekutive sagt uns: Drückt auf den Atomknopf und haltet die Klappe", wetterte Sarkozys UMP-Parteifreund Georges Tron. Mit anderen Worten: Schiebt Eure Bedenken beiseite und macht, was wir Euch sagen.

Schlicht "entmutigend" findet auch der UMP-Abgeordnete Lionnel Luca die Entscheidung des Präsidenten. "Das dreht uns den Arm um, denn man ertränkt die NATO in der Außenpolitik", sagte Luca. "Wir sind dazu verurteilt, mit Ja zu stimmen." Obwohl einige Abweichler im Regierungsblock sich enthalten wollten, war die Vertrauensabstimmung damit von vornherein eine risikofreie Formsache.

Gefahrloses, kollektives "Nein"

Entsprechend unbekümmert konnte die Opposition sich auf ein kollektives "Nein" einstimmen, ohne Gefahr zu laufen, die Rückkehr in die NATO-Kommandostruktur zu gefährden. Denn in allen Parteien gibt es gleichermaßen Befürworter wie Gegner des symbolschweren Schritts. Bei einer offenen Abstimmung nur über die NATO-Frage hätte die Linke sich genauso gespalten gezeigt wie der Regierungsblock. Mit der Vertrauensfrage schuf Fillon dagegen die Basis für eine klassische "Blockkonfrontation" in der Nationalversammlung, bei der Politiker mit Präsidentenambitionen wie der frühere sozialistische Premierminister Laurent Fabius ihre Truppen um sich scharen konnten.

Die Lage ist paradox: Als General Charles de Gaulle 1966 sein Land aus der NATO-Vollintegration führte und damit auch den Umzug des Bündnisses von Paris nach Brüssel auslöste, zeterte die linke Opposition und stellte sogar einen Misstrauensantrag gegen die Regierung. Der spätere Präsident Franois Mitterrand warf den Gaullisten Rechtspopulismus vor und mahnte, den "amerikanischen Freunden" die Treue zu halten. Damals wusste die Linke in der NATO-Frage eine starke relative Mehrheit des Volkes hinter sich. De Gaulle war aber nicht prinzipiell gegen die NATO, sondern wollte eine von den USA unabhängige Atomstreitmacht aufbauen, was er durch das enge Bündnis gefährdet sah.

Franzosen leidenschaftslos

Heute sind die Franzosen wie die Parteien in der NATO-Frage überwiegend leidenschaftslos. 53 bis 58 Prozent der Bürger sind Umfragen zufolge für die Vollintegration. Unabhängig von ihrer Parteibindung argumentieren die Gegner mit dem Verlust des Sonderstatus, der Frankreich in der arabischen Welt und bei den Blockfreien wie Indien Einfluss gegeben habe. Die Unabhängigkeit vom US-Befehl habe Frankreich eine hörbare eigene Stimme verliehen.

Die Befürworter argumentieren umgekehrt mit Frankreichs Stimme in Europa. Als NATO-Vollmitglied finde Paris bei den amerikafreundlichen EU-Partnern wie Polen und Großbritannien mehr Gehör für sein Dringen auf eine eigenständige europäische Verteidigung. Außerdem könne man endlich über die NATO-Einsätze mitentscheiden, an denen man am Ende doch teilnehme, und besser für die Reform der NATO wirken.

Sarkozys neue Bühne: die NATO

Sarkozy selbst hatte stets darauf gedrungen, die NATO-Rückkehr mit dem Ausbau der europäischen Verteidigung und der Stärkung des europäischen Pfeilers des Bündnisses zu verknüpfen. Jetzt vollzieht er die Rückkehr, ohne einen Durchbruch bei diesen Fragen erreicht zu haben. Spötter sagen daher, Sarkozy wolle die NATO vor allem als eine weitere Bühne, um sich international in Szene zu setzen.

Quelle: ntv.de, Hans-Hermann Nikolei, dpa

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