Dossier

Lässig im Marathon Schwarz-gelbe Geschenke auf Pump

Geht lässig in die Verhandlungen: Wirtschaftsminister zu Guttenberg.

Geht lässig in die Verhandlungen: Wirtschaftsminister zu Guttenberg.

(Foto: REUTERS)

Die Unterhändler gaben sich lässig: Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kam zur neuen Runde der schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen in Cord-Jackett und Jeans. Auch Kanzleramtschef Thomas de Maizière ließ die Krawatte zu Hause. Und CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer berichtete vor der NRW-Landesvertretung in Berlin sogar noch schnell von der morgendlichen Joggingrunde durch den nahe gelegenen Tiergarten - "weil es den Kopf frei macht".

Grund für derartig lockere Auftritte gibt es eigentlich nicht: Nach fast zweiwöchigen Marathon-Verhandlungen haben Union und FDP die wirklich großen Brocken noch immer nicht aus dem Weg geräumt. Weder über die Zukunft des Gesundheitsfonds gibt es eine Einigung noch über die Finanzierung der versprochenen Steuersenkungen in Milliardenhöhe. Auch die kleine Runde mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den anderen Parteichefs dürfte übers Wochenende noch nicht den großen Durchbruch bringen.

Finanzierung ungewiss

Die verschiedenen Arbeitsgruppen haben sich zwar in vielen Punkten verständigt. Doch wie die Vorhaben finanziert werden sollen, steht weiter in den Sternen. Auf 120 Milliarden Euro würden sich die bisher diskutierten Steuergeschenke und Ausgabenwünsche der Fachpolitiker bis 2013 summieren, wird aus Verhandlungskreisen kolportiert. Es könnte auch mehr sein. Selbst manch' Unterhändler scheint inzwischen den Überblick verloren zu haben.

Das Abschlusspapier der Steuern-Gruppe liest sich wie eine mehrseitige Weihnachts-Wunschliste: Kinderfreibetrag und Kindergeld erhöhen - Kosten bis 2013 rund 32,6 Milliarden Euro; Korrekturen bei der Unternehmensteuer - bis zu 15 Milliarden; bessere Abschreibung - 19 Milliarden; Entlastungen für Geschwister bei der Erbschaftsteuer - 3,6 Milliarden. Damit nicht genug: Weniger Einkommensteuer, Wegfall der ungeliebten Steuerklasse V, Agrardiesel-Förderung, Absetzbarkeit privater Steuerberaterkosten und so weiter und so fort.

Noch kein Geschenkpaket geschnürt

Problem nur: Nicht ein einziges Geschenkpaket ist schon geschnürt. Sämtliche "denkbaren Maßnahmen" sind strittig. Konkrete Zahlen fehlen. Woher das Geld kommen soll, ist ungeklärt. Die Mahnung der Haushälter ("Nur eine durchgreifende Konsolidierungspolitik verschafft dem Staat Spielräume, um zu gestalten und den Bürger zu entlasten") scheint in den anderen Fachgruppen zu verhallen.

Auffallend häufig fällt das Stichwort "Ausnahmeregel in der Schuldenbremse". Die neue Vorgabe im Grundgesetz lässt in der Not weitere neue Schulden zu - etwa bei einer schweren Wirtschaftskrise. Allerdings muss es dann einen verbindlichen Plan zum raschen Abbau der Mehrschulden geben. Im Klartext: Die Steuergeschenke werden wohl - allen Warnungen zum Trotz - auf Pump finanziert. Dabei profitiert die neue Koalition gleich zu Beginn von Beschlüssen der schwarz-roten Vorgängerregierung: Die hat von 2010 an bereits Steuerentlastungen von 14 Milliarden Euro auf den Weg gebracht.

Koalitionspartner bleiben optimistisch

Trotz der Differenzen geben sich Union und FDP aber weiter optimistisch: Im Lauf der nächsten Woche soll der Koalitionsvertrag stehen. Stolz wird auch der kleinste Fortschritt verkündet - wie die Einigung auf eine Stärkung des Mittelstands sowie auf weniger Bürokratie, was Guttenberg und sein möglicher Nachfolger am Kabinettstisch, FDP-Vize Rainer Brüderle, mit Siegermiene bekanntgaben. Das hätte man auch ohne lange Verhandlungen haben können.

Auch die bislang mageren Ergebnisse ändern nichts daran, dass die Koalitionsverhandlungen dem Berliner Stadtplan eine neue Sehenswürdigkeit hinzugefügt haben: Am Samstagmorgen jedenfalls wurde vor der nordrhein-westfälischen Landesvertretung der erste Reisebus gesichtet. Die Polit-Touristen kamen aus dem Sauerland.

Quelle: ntv.de, André Stahl und Christoph Sator, dpa

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