Wahlkampf mit Schafen Schweiz ruckt rechts
15.10.2007, 09:47 UhrDer Wahlkampf in der Schweiz war hart und verletzend - so hart wie wohl noch nie zuvor in dem idyllischen Alpenland. Und er wurde fast ohne Sachthemen geführt. Im Mittelpunkt stand vielmehr der Spitzenkandidat der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), Christoph Blocher. Mit dem Resultat, das die SVP bei der Parlamentswahl am 21. Oktober vermutlich nicht nur wieder stärkste Partei werden, sondern allen Umfragen zufolge sogar noch einmal an Stimmen zulegen dürfte. Blocher und die SVP haben es mit ihrem provokanten Wahlkampf sogar in die internationale Presse geschafft. Politiker und Medien machen sich zunehmend Sorgen, wie die Schweiz künftig regiert werden kann und wie die Weltöffentlichkeit das Land einschätzen wird. Trotzdem sprechen die Umfragen für Blocher.
Er und seine SVP stehen nach eigenen Aussagen für eine an Tugenden und Werten orientierte Schweiz. Ihr Wahlmotto heißt "Mein Zuhause - unsere Schweiz". Ihr Wahlplakat mit den drei weißen Schafen, die ein schwarzes von der Schweizer Fahne drängen, ist nunmehr weltbekannt. Selbst die Vereinten Nationen kritisierten es als diskriminierend. Doch die SVP bleibt dabei: Über die Hälfte aller schweren Straftaten im Lande würden von Ausländern begangen. Sie müssten deshalb ausgewiesen werden.
Diskriminieren setzt sich durch
Justizminister Blocher, der sich in den vergangenen Jahren in der Regierung gar nicht so scharfmacherisch gegeben hat, verkörpert diese SVP-Positionen - zu der auch die Ablehnung eines EU-Beitritts gehört. Der Wahlkampf kreiste fast nur um ihn, er sah Verschwörungen, Ränke und Komplotte - und entriss den anderen Parteien die Themen. Die noch am meisten auf eine Zunahme an Stimmen hoffenden Grünen stellte er ins Abseits, wenn man den Umfragen glaubt.
"Höhepunkt" des Wahlkampfs war am 7. Oktober auch wieder eine SVP-Aktion, ein Wahlfest mitten auf einem Platz vor dem Bundeshaus in Bern. Linksautonome fühlten sich provoziert, es kam zu gewaltsamen Ausschreitungen. Die einschlägigen Bilder gingen um die Welt. Wieder beherrschte Blochers Partei alle Medien. Die These, dass die Schweiz unregierbar werde, machte die Runde und verdrängte erneut Sachthemen. Wer davon profitierte, scheint klar, auch wenn die jüngsten Umfrageergebnisse - für die SVP 27,3 Prozent nach 26,6 im Jahr 2003 - vor dem "schwarzen Sonntag" stattfanden.
Aufregung statt Agenda
"Der Wahlkampf hat die wahren Probleme der Schweiz verdeckt", sagt der Vorsitzende der Christdemokraten CVP, Christophe Darbellay. Zu diesen Problemen gehören Themen wie Steuergerechtigkeit und Ausländerbesteuerung, Renten- oder Krankenversicherung, Krippenplätze oder Energie- und Atompolitik.
Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, entstammt der sogenannten Konkordanzdemokratie. Sie wird im Dezember von dem dann neu zusammengesetzten Parlament beider Kammern gewählt, und die sieben Minister entsprechen von ihrer Parteiherkunft etwa dem Anteil der Sitze. Bisher stellen die SVP, die Sozialdemokraten (SP) sowie die liberale FDP je zwei, die Christdemokraten (CVP) einen Bundesrat. Die Grünen gingen leer aus, was sie eigentlich bei dieser Wahl ändern wollten. Ob ihr geschätzter Stimmenanteil von rund zehn Prozent nach derzeit 7,4 Prozent für einen Regierungssitz ausreichen wird, ist fraglich.
Ziel aller anderen Parteien war es mehr oder weniger, die SVP zu schwächen. Derzeit sieht es aber danach aus, als ob die Konservativen die Schweizer Zukunft noch stärker mitbestimmen dürften als bisher. Blocher strebt sogar einen reinen bürgerlichen Bundesrat an. Die großen Verlierer wären somit die Sozialdemokraten. Sie stehen Umfragen zufolge bei 21,7 Prozent, 1,6 Prozent weniger als derzeit.
Von Heinz-Peter Dietrich, dpa
Quelle: ntv.de