Entscheidung 2009 Seehofer brachial unterwegs
26.12.2008, 16:49 Uhr2009 wird für die CSU zum entscheidenden Jahr ihrer Geschichte. Folgen auf das historische Landtagswahl-Debakel bei den bevorstehenden Europa- und Bundestagswahlen die nächsten Niederlagen, schrumpft die CSU auf das Maß eines gewöhnlichen CDU-Landesverbandes. Dann wäre es endgültig aus mit der bundespolitischen Sonderstellung - und dem gerade erst inthronisierten Parteichef Horst Seehofer.
Der Ingolstädter weiß, dass er nur diese eine Chance hat. Daher trimmt er die Partei mit einer Brachialität auf seine Linie, die viele in der CSU ebenso überrascht wie erschreckt. Mit dem angekündigten neuen Politikstil passt das nicht zusammen - doch Seehofer weiß auch: Gewinnt er die Wahlen, wird die Kritik an seinen Umgangsformen verstummen.
Auf Qualität bedacht
"Ein Schuss Brutalität", so beschreibt ein Mitglied der CSU-Spitze Seehofers Arbeitsweise. Der Parteichef fasst die Anforderungen an die Parteifreunde in einen harmlos klingenden Satz: "Die Qualität muss stimmen." Den Folgesatz sagt er nicht, doch kann sich ein jeder denken, was gemeint ist: Derzeit stimmt die Qualität in der CSU nach Seehofers Einschätzung nicht überall. Zu spüren bekommen dies vor allem erfahrene Kräfte wie Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, der Bundestags-Landesgruppenvorsitzende Peter Ramsauer und Europagruppenchef Markus Ferber.
Es ist ein offenes Geheimnis in der CSU, dass Ramsauer Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl werden will. Ramsauer selbst fasst das in die Formel, er sei für Seehofer als Spitzenkandidat, aber wenn nicht Seehofer, dann er selbst. Seehofer hat unmissverständlich klar gemacht, dass er nicht Listenführer werden will - aber hinter Ramsauer stellt er sich trotzdem nicht. Stattdessen lässt er die Frage der Spitzenkandidatur betont offen.
Ebenso ergeht es Ferber. Der schwäbische CSU-Bezirkschef wurde zuletzt nicht einmal von Seehofer informiert, dass die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier Europa-Kandidatin werden soll, und muss nun um seine Spitzenkandidatur bangen. Die überfallartige Platzierung Hohlmeiers in Oberfranken halten mehrere prominente CSU-Politiker für einen Fehler. Und vor allem an der Parteibasis in Oberfranken gab es viele empörte Reaktionen.
Mehrere innerparteiliche Kriegsschauplätze
Mehrere CSU-Vorständler wundern sich, warum Seehofer gleichzeitig mehrere innerparteiliche Kriegsschauplätze eröffnet hat. Doch der 59-Jährige kann sich ein derartiges Vorgehen momentan erlauben. CSU-intern gilt er als der Einzige, der nach dem dramatischen Absturz bei der Landtagswahl - der die CSU in die erste Koalition seit fast einem halben Jahrhundert zwang - den Karren aus dem Dreck ziehen kann. "Ihm folgen, oder es fallen sowieso alle die Klippen runter", heißt es.
Und der erste tiefe Fall droht eben schon bei der Europawahl. Wenn die CSU bundesweit gesehen nicht mehr als fünf Prozent der Stimmen holt, wäre sie mit keinem einzigen Abgeordneten mehr im EU-Parlament vertreten. Nötig ist also ein ordentliches Ergebnis bei einer ordentlichen Wahlbeteiligung - doch am Wahltag sind Pfingstferien.
Über Weihnachten und Neujahr hat Seehofer die Partei zu Ruhe und Stillschweigen verdonnert. Zuvor hatte es eine fast fünfstündige Sitzung der engsten CSU-Spitze mit den zehn Bezirksvorsitzenden gegeben. Die Frage der Europa-Spitzenkandidatur hat Seehofer - zumindest offiziell - auf Anfang 2009 vertagt. Einzelne Zeitungen berichteten zwar, Ferber werde definitiv Spitzenkandidat, nicht Hohlmeier. Teilnehmer der Sitzung wiesen aber zurück, dass es bereits Festlegungen gebe. Und auch Seehofer selbst hatte noch in der Nacht unmissverständlich in Mikrofone und Kameras gesagt, es sei keine Reihung festgelegt worden.
Ungeachtet der Personaldiskussionen haben viele im Münchner Kabinett das Gefühl, dass es wieder aufwärts geht. "Ich bin optimistisch", sagt Umweltminister Markus Söder. Der Start der neuen CSU/FDP-Regierung sei erfolgreich gewesen. "Wir haben wieder Tritt gefasst", meint Söder.
Carsten Hoefer und Christoph Trost, dpa
Quelle: ntv.de