Dossier

Trotz leerer Staatskassen Serbien will investieren

Die neue serbische Regierung ist erst zwei Wochen im Amt und schon schüttet sie ein Füllhorn an Wohltaten aus. Und das, obwohl die ohnehin kränkelnde Wirtschaft dadurch völlig aus dem Gleichgewicht zu geraten droht, warnen die heimischen Fachleute. Schon ab 1. September sollen die Rentner zehn Prozent mehr Geld erhalten, hat die Regierung angekündigt. Die Erhöhung schlägt mit umgerechnet einer halben Milliarden Euro (40 Milliarden Dinare) im Staatshaushalt zu Buche. Doch dort werden nach Darstellung des Finanzministeriums im Herbst ohnehin 400 Millionen Euro fehlen.

Die Ausgaben für Wissenschaft und Technologie sollen von heute 100 Millionen auf 500 Millionen Euro aufgestockt werden, kündigte Vize-Regierungschef Bozidar Djelic an. Am gleichen Tag versprach Wirtschaftsminister Mladjan Dinkic den Bürgern die Schenkung kostenloser Aktien von Staatsbetrieben. Die Regierung werde den erst im März geschlossenen Konzessionsvertrag mit dem österreichischen Konsortium Porr-Alpine und dem Finanzier Deutsche Bank im Wert von 1,1 Milliarden Euro für den Bau einer Nord-Süd-Autobahn lösen, sagte Dinkic weiter. Der Staat wolle den Autobahnbau in den nächsten vier Jahren mit fünf Milliarden Euro selbst finanzieren.

Wirtschaft steht schlecht da

Doch woher das Geld kommen soll, weiß heute niemand zu sagen. Im Gegenteil. Die ausländischen Investitionen stocken, die Privatisierung der Staatsbetriebe hakt an allen Ecken und Enden und das Außenhandelsdefizit Serbiens erklimmt Monat für Monat neue Minusrekorde. Die Inflation wird bis zum Jahresende auf über 15 Prozent prognostiziert, was ausländische Investoren abschreckt. Sichere Einnahmen kommen aus dem Verkauf der Erdölindustrie an Russland, den das Parlament in den nächsten Tagen beschließen wird. Doch der Preis von 400 Millionen Euro war selbst von Wirtschaftsminister Dinkic als "lächerlich" und "für Serbien erniedrigend" kritisiert worden.

Bis zum Ende des Monats soll die staatliche Fluggesellschaft JAT Airways international zur Privatisierung ausgeschrieben werden. Doch ob sich überhaupt ein Interessent für das abgewirtschaftete Unternehmen findet, ist offen. Die JAT-Flotte ist hoffnungslos veraltet: Die älteste Boeing 737 hat schon 23 Jahre auf dem Buckel und die jüngste Maschine, eine ATR 72, ist mit 17 Jahren ebenfalls technisch nicht der "letzte Schrei". Die russische Aeroflot hat als bisher heißester Interessent in einem Schreiben an die Regierung vor wenigen Tagen indirekt abgewinkt, berichteten die Zeitungen.

Wie die Regierung in den nächsten Jahren die angekündigten 200.000 neuen Arbeitsplätze schaffen kann, bleibt zunächst ihr Geheimnis. Probleme macht auch der völlig unrealistische Kurs der serbischen Dinar-Währung. Die Nationalbank legte einen Kurs von knapp über 78 Dinare für einen Euro fest. Der Direktor des Instituts für Marktforschung, Miloje Kanjevac, rechnete am gleichen Tag als realistisch einen Kurs von 130 bis 150 Dinare aus. Der Kurs stimuliere den Import und entmutige die Exporteure, kritisierte er.

Thomas Brey, dpa

Quelle: ntv.de

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