Dossier

Lafontaines Abschiedsrede Sozialistisches Themen-Stakkato

"So einfach ist das": Oskar Lafontaine bei seiner Rostocker Abschiedsvorstellung.

"So einfach ist das": Oskar Lafontaine bei seiner Rostocker Abschiedsvorstellung.

(Foto: dpa)

Oskar Lafontaine verabschiedet sich mit einem Rundumschlag zur politischen Lage in Deutschland vom Amt des Parteivorsitzenden der Linken. Seine Rede, die eine deutlich sozialistische Handschrift trägt, begeistert die Delegierten. Ein Friedensangebot an die SPD bleibt aus.

Er reckt die Arme nach oben, noch einmal gibt es Blitzlichtgewitter - Oskar Lafontaine hat fertig. Der Polit-Profi aus dem Saarland ist ein bisschen gerührt. Das war sie, seine letzte Rede als Parteivorsitzender der Linken. Ein 40-minütiges Themen-Stakkato, stellenweise begleitet von stürmischem Jubel. Die 570 Delegierten spüren: Hier geht eine Ära zu Ende. Die Ära eines Mannes, der wie kein zweiter die politische Landschaft aufgewirbelt hat.

Lafontaine nutzt seinen letzten großen Auftritt auf dem Linken-Parteitag in Rostock für ein Kritik-Gewitter am Finanzsystem, der herrschenden Sozial- und Arbeitspolitik und dem Zustand der Demokratie. Klare Antworten auf drängende Fragen nach Regierungsfähigkeit oder Koalitionsabsichten gibt er nicht. Nach einem Dank für die gemeinsame Zeit an Lothar Bisky, den ebenfalls scheidenden Co-Vorsitzenden, an Gregor Gysi und Klaus Ernst kommt der Mann von der Saar schnell richtig in Schwung. Zu jedem Wort eine Geste, oft wechselt er die Blickrichtung. "NRW war ein Triumph", beginnt Lafontaine und erntet zum ersten Mal stürmischen Applaus. Die Linke habe das Fünf-Parteien System in der Bundesrepublik endgültig etabliert. Zur Koalitionsfrage sagt Lafontaine dann aber nur das, was er immer sagt: "Es geht um die Bedingungen, unter denen wir mitmachen. Und wir machen mit, wenn der Sozialabbau erfolgreich gestoppt wird."

Die Seele der Parteimitglieder hat Lafontaine noch einmal gestreichelt.

Die Seele der Parteimitglieder hat Lafontaine noch einmal gestreichelt.

(Foto: dpa)

Der Sozialabbau. Einer der roten Fäden, die sich durch seine Reden ziehen. Die Agenda 2010 seines ehemaligen Weggefährten Gerhard Schröder bleibt dabei sein größter Feind: "Hartz IV muss weg!", fordert Lafontaine - nicht zum ersten Mal. Der Zwang zur Annahme von Arbeit unter der eigenen Qualifikation sei der Nährboden für Ausbeutung und Dumping-Löhne. "Wer aber sein Leben nicht planen kann, der ist nicht frei." Befristete Arbeitsplätze und Leiharbeit seien ein Anschlag auf die Freiheit. "Und wir lassen nicht zu, dass in einem reichen Land Menschen unfrei werden." Lafontaine nutzt hier natürlich die Chance, seiner alten politischen Heimat einen Seitenhieb zu verpassen. "Hätte die SPD Hartz IV einem Mitgliederentscheid unterworfen, stünde sie immer noch bei 38 bis 40 Prozent", behauptet er. Doch das hat die SPD nicht - und Lafontaine hat die Prozente eingeheimst.

"Die Demokratie ist erledigt"

Lafontaine spricht vom demokratischen Sozialismus, den er wolle, von einer historischen Freiheitsbewegung, die er in seiner Partei sehe, ganz im Sinne der Französischen Revolution oder der Friedlichen Revolution in der DDR. "Das meint eine Gesellschaft ohne Unterdrückung", in der der Mensch sich entfalten könne. "So einfach ist das", resümiert er in einem kämpferischen Ton - und kann damit nichts falsch machen bei den Delegierten. Natürlich gefällt den Zuhörern auch die Schelte am Finanzsystem. Politik habe nichts mehr zu sagen, postuliert Lafontaine. Die Parlamente seien "Marionetten, die den Finanzmärkten hinterhecheln". Und die Bundesregierung sei "die Hehlerin des Steuerbetrugs". Die Commerzbank habe 18 Milliarden Euro vom Staat bekommen, sie fordere in ihren Broschüren aber indirekt zum Steuerbetrug auf. Zudem müsste dem Lobbyismus in den Parlamenten ein Riegel vorgeschoben werden. "Wir müssen die Käuflichkeit der Politik beenden", ruft der 66-Jährige. Und er mündet dann in der Behauptung: Die Demokratie sei momentan "erledigt".

Die Neuen und die Alten: Klaus Ernst, Oskar Lafontaine, Lothar Bisky und Gesine Lötzsch (v.l.n.r.).

Die Neuen und die Alten: Klaus Ernst, Oskar Lafontaine, Lothar Bisky und Gesine Lötzsch (v.l.n.r.).

(Foto: APN)

Als Weg aus der Krise bietet Lafontaine drei Schlagworte an: Förderung der Nachfrage durch den Staat, strenge globale Finanzmarktregulierung und die gemeinsame Wirtschaftspolitik auf gesamteuropäischer Ebene. Dafür habe seine Partei immer gestanden. Und sei damit die einzige politische Kraft, die adäquate Antworten auf die Krise habe. "Anders", bilanziert Lafontaine, "anders ist die Weltwirtschaft nicht mehr zu retten." Der Staat müsse außerdem die Kontrolle bei den großen Finanzinstituten übernehmen. Wenn er für Verluste geradestehe, dann solle er auch von den Gewinnen profitieren. Seine Antwort auf die Krise der Demokratie, auf Arbeitslosigkeit und Sozialabbau ist auch der Generalstreik - und zwar immer dann, "wenn die Mehrheit ausgehebelt wird".

"Aufstellung nicht korrigieren"

Die Mehrheit im Saal hebelt Lafontaine mit seiner Rede nicht aus - er spricht sie an, die gespaltene Partei, die mit grundsätzlichen Aussagen an diesem Tag leicht zu befrieden ist. Vielleicht bleibt auch deshalb das schwierige Verhältnis zur SPD von Lafontaine unberührt. Zwar hatte er kürzlich gesagt, eine linke Mehrheit sei eben nur mit den Sozialdemokraten möglich, doch von dieser Pragmatik kein Wort. Ein Wink an das Auditorium, wie es mit den nicht ganz so Roten weitergehen könnte, gibt Lafontaine nicht. Seine zentrale Botschaft wiederholt er im Interview mit n-tv.de: "Wir haben eine erfolgreiche Strategie. Und das ist wie im Fußball - eine erfolgreiche Aufstellung sollte man nicht korrigieren."

Die Delegierten sind zufrieden mit einem sozialistisch gefärbten Rundumschlag, der ihre Seelen streichelt. Am Ende daher: Standing Ovations für Lafontaine. Zwei, drei Minuten hallt der Applaus. Lafontaine genießt die Anerkennung, lächelt - und geht von der Bühne.

Quelle: ntv.de

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