Nordkorea droht mit Yongbyon Streit um Atomprogramm
23.09.2008, 16:15 UhrDer Streit um das nordkoreanische Atomwaffenprogramm droht sich erneut zuzuspitzen. Nordkorea nähert sich Schritt für Schritt einer möglichen Wiederinbetriebnahme der bereits stillgelegten Atomanlagen in seinem Nuklearzentrum Yongbyon. Ein Neustart des dort stehenden veralteten Kernreaktors, der waffentaugliches Plutonium erzeugen kann, dürfte nach Meinung von Experten sechs bis zwölf Monate beanspruchen. Mit jedem Schritt jedoch, den Pjöngjang in Richtung Wiederinbetriebnahme unternimmt, zieht Nordkorea sich wieder mehr von den Vereinbarungen zur atomaren Abrüstung zurück. Mehr und mehr Menschen in der Region sorgen sich deshalb, dass die jahrelangen Verhandlungen im Rahmen der sogenannten Sechs-Länder-Atomgespräche auf den Ausgangspunkt zurückgeworfen werden könnten.
Nordkoreas Wendung in dem Konflikt hat sich bereits früher abgezeichnet. Aus Verärgerung über die USA hatte der kommunistische Staat im August die Arbeiten zur Stilllegung der Atomanlagen ausgesetzt und mit deren Wiederherstellung in den alten Zustand gedroht. Nach der offiziellen Erklärung am Freitag, dass die Arbeiten zum Wiederaufbau bereits im Gange seien, machte Nordkorea jetzt auch seine Drohung wahr und forderte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA auf, Siegel an seiner vor Monaten heruntergefahrenen Anlage zur Wiederaufarbeitung von Uran zu öffnen.
Keine leeren Drohungen
Das Regime in Pjöngjang macht nach Ansicht von Beobachtern mit diesen Aktionen deutlich, dass seine jüngsten Äußerungen nicht als leere Drohungen missverstanden werden sollten. Nordkorea ist enttäuscht von den USA, weil Washingtron das Land vorerst noch nicht - wie vereinbart - von der Liste der "Schurkenstaaten" genommen hat.
Nordkoreas Aktionen richteten sich gegen die "Hardliner" in den USA, die eine rigorose Überprüfung der nordkoreanischen Angaben über Details seines Atomprogramms verlangen, sagt der Politologe Paik Hak Soon vom privaten Sejong-Institut bei Seoul. Paik ist deshalb überzeugt, dass der Wiederaufbau der Atomanlagen nicht nur eine "technische Frage" und damit eine leere Drohung ist. "Der Grund für Nordkoreas Verhalten geht tiefer. Es sieht einen enormen Vertrauensverlust." Dass die Nordkoreaner über die technischen Fähigkeiten zum Wiederanfahren des Reaktors verfügten, hätten sie bereits gezeigt.
Die Frage der Verifikation der nordkoreanischen Angaben gilt derzeit als strittigster Punkt. Ohne eine gründliche Überprüfung sind die Abrüstungvereinbarungen aus der Sicht der USA und anderer Länder nicht ausreichend. Pjöngjang dagegen stört sich daran, dass Washington die Streichung des Landes von der US-Terrorismusliste von der Verifikationsfrage abhängig macht. Während für die USA die Offenlegung der nuklearen Aktivitäten durch Nordkorea und die Überprüfung des Programms eng zusammengehören, will Pjöngjang beides getrennt behandeln.
Wer übt in Pjöngjang die Macht aus?
Als ein weiterer Unsicherheitsfaktor für die Gespräche gilt auch der Gesundheitszustand des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Il. Angesichts der Vermutungen, dass Kim im August einen Schlaganfall erlitten haben könnte, herrscht derzeit Unsicherheit in der Region in der Frage, wer derzeit in Pjöngjang die Macht ausübt.
Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen wird derzeit hinter den Kulissen der Sechser-Gespräche über einen Kompromiss im Atomstreit verhandelt. Doch die Zeit drängt für alle betroffenen Länder, mahnen Beobachter. Nach der Präsidentenwahl in den USA im November dürfte die neue Regierung in Washington bis zum Sommer 2009 brauchen, um ihren Nordkorea-Kurs zu bestimmen, meint Experte Paik. "Bis dahin kann noch viel Schaden angerichtet werden."
Quelle: ntv.de, Dirk Godder, dpa