Dossier

Nazis, Preußen und das Militär Symbolträchtige Siegessäule

Mit der Siegessäule hat Barack Obama für seinen Auftritt in Berlin einen Ort mit Bezügen zu Preußen, Nazi-Deutschland und moderner Pop-Kultur gewählt. Wenn die Steine des 69 Meter hohen Denkmals reden könnten, wüssten sie von militärischen Triumphen im 19. Jahrhundert, den Architekturfantasien Adolf Hitlers und Massenveranstaltungen der Gegenwart zu erzählen. Obamas Rede soll der reichen Geschichte des Ortes ein weiteres Kapitel hinzufügen, vor allem für das Publikum der US-Wähler.

Daher wird der demokratische Präsidentschaftsbewerber in Blickrichtung auf das Brandenburger Tor sprechen. Dieses hätte er gerne als unmittelbaren Bildhintergrund gehabt, doch Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte dieses Symbol des vereinigten Berlins nicht als Bühne im US-Wahlkampf. Am damals noch versperrten Wahrzeichen hatte Präsident Ronald Reagan 1987 den sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow aufgefordert, die Mauer einzureißen und das Brandenburger Tor zu öffnen.

Die 1,8 Kilometer entfernte Siegessäule stammt aus dem Jahr 1873 und sollte an die militärischen Triumphe Preußens in den Kriegen gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und vor allem den damaligen "Erbfeind" Frankreich (1870/71) erinnern. Über der Besucherplattform in 53 Metern Höhe steht die Skulptur der behelmten Viktoria. Die im Volksmund als "Gold-Else" bekannte Figur der Siegesgöttin, die 35 Tonnen schwer ist, trägt einen Lorbeerkranz und das Eiserne Kreuz.

Geschmückt ist der Sockel der Säule mit Reliefs, die Szenen aus den drei Kriegen zeigen. Den Schaft verzieren vergoldete Geschützrohre aus der Kriegsbeute. Die Reliefs wurden nach dem Zweiten Weltkrieg entfernt, Frankreich forderte 1946 im Alliierten Kontrollrat sogar, wenn auch vergebens, ihre Zerstörung. Die Reliefs wurden in den 80er Jahren wieder an der Säule angebracht.

Für Kritiker blieb die Säule ein Symbol für Krieg und Militär. 1991 verursachten Linksextremisten geringe Schäden an dem Bauwerk, als sie mit einem Anschlag gegen die Militärpolitik der USA protestierten.

Ursprünglich stand die Säule auf dem Königsplatz, dem heutigen Platz der Republik vor dem Reichstag. Wegen der von den Nazis geplanten Umgestaltung Berlins zur Reichshauptstadt "Germania" wurde das Denkmal 1938/39 an seinen heutigen Standort versetzt und steht jetzt an einem Verkehrsknotenpunkt, der für Obamas Besuch abgesperrt werden dürfte.

Diese Sperrungen der Ost-West-Achse sind für die Berliner eine lästige Gewohnheit. Mit der "Love-Parade" und dem Umzug von Schwulen und Lesben am "Christopher Street Day" fanden rund um die Siegessäule friedliche Massenveranstaltungen statt. Die Straße des 17. Juni, deren Name an Proteste 1953 in der DDR erinnert, war zuletzt bei der Fußball-WM in Deutschland 2006 und der EM 2008 als "Fanmeile" eine Attraktion für Hunderttausende.

Auch wenn Obama nicht seinen Wunschort am Brandenburger Tor bekam und ihm mehrere deutsche Politiker von der belasteten Geschichtssymbolik der Siegessäule abrieten, hofft sein Stab auf eine neue Fanmeile für seinen Auftritt.

Von Volker Warkentin und Markus Krah, rts

Quelle: ntv.de

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