Die ausgefallene Brandrede Überraschung in Berlin
12.12.2008, 15:13 UhrEines kann man Horst Seehofer nicht abstreiten. In seiner langen Politikerkarriere ist er immer für eine Überraschung gut gewesen. Bei seinem ersten großen Auftritt als bayerischer Ministerpräsident in Berlin mühte er sich jedenfalls redlich, diesem Ruf auch im neuen Amt gerecht zu werden.
Tagelang hatte er zuvor gegen den Krisenkurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) getrommelt. Aus der CSU hatte es auch geheißen, er wolle seine Festansprache zum zehnjährigen Bestehen der bayerischen Landesvertretung in der Hauptstadt zu einer "Brandrede" nutzen. Was aber in der Halle der Vertretung folgte, war lediglich eine mehr oder weniger launige Betrachtung des Wesens des Föderalismus und des Verhältnisses von Preußen und Bayern. Die angekündigte Philippika fiel jedenfalls aus.
Keinen Aufschluss gegeben
Nur in einigen typisch seehoferisch süffisanten Randbemerkungen spielte der Ingolstädter auf den Streit an. Wenn die Bayern gut seien und nicht verletzt würden, "leisten sie auch außerhalb Bayerns Gutes", lautete eine dieser Weisheiten, die Seehofer dem Publikum mit auf den Weg gab. Auch erinnerte er daran, dass die Bayern nicht nur gestalten, sondern auch "schon bestimmen" wollen. Sie hätten sich schon immer darin gefallen, in einer Angelegenheit "dafür und gleichzeitig ein bisschen dagegen zu sein".
Wer wollte, konnte Seehofers Ausführungen als Bemühen ansehen, vielleicht den Streit mit der Kanzlerin um rasche Steuersenkungen nicht auf die Spitze zu treiben. Am Rande des Brüsseler EU-Gipfels hatte Seehofer indes noch ganz anders gesprochen. Er warb mit Nachdruck dafür, dass seine neue Duzfreundin Merkel möglichst noch im Januar zusätzliche Konjunkturhilfen auf den Weg bringt. "Das Frühjahr ist zu spät", kommentierte er Überlegungen der Bundesregierung, noch Monate mit weiteren Initiativen zur Ankurbelung von Investitionen und Konsum zu warten. Wer Aufschluss von seiner Hauptstadtrede erwartet hatte, wie er sich weiter verhalten wird, wurde aber enttäuscht.
Wo will er hin?
In der CDU-Führung wird Seehofers Agieren schon längst mit Augenrollen begleitet. Bezeichnender Weise war im Publikum in der Landesvertretung auch kein CDU-Spitzenpersonal zu finden. "Der Horst ist halt der Horst", hieß es in der CDU in den vergangenen Tagen immer wieder. Alte Geschichten aus dem politischen Komödienstadl wurden hervorgekramt. Etwa die von Seehofers Ausstieg aus der Kommission von Alt-Bundespräsident Roman Herzog zur Gesundheitsreform vor einigen Jahren.
Die Geschichtenerzähler aus dem CDU-Lager wollen damit eines sagen: Seehofer sei immer ein Stück unberechenbar gewesen. So fragen sich viele in der CDU in diesem Streit, wo Seehofer hin will. Er müsse sich doch im Klaren sein, dass der Steuersenkungs-Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in Höhe von 25 Milliarden Euro keine Chance hat. Spätestens an der SPD würde doch das Glos-Konzept scheitern.
Seehofer macht den Strauss
Seehofer verbreitet Unruhe in der Union - auch in der Bundestagsfraktion. Im Grund kopiert er in seinen Anfangstagen aber nur CSU-Übervater Franz Josef Strauß, dessen Scharmützel mit dem Kanzler Helmut Kohl legendär sind. In der CSU gelten die Strauß-Jahre immer noch als die besten in der Parteigeschichte. Damals, so die verklärte Sicht, sei die CSU der CDU doch immer auf Augenhöhe begegnet. Auch Seehofers Vorgänger Edmund Stoiber agierte oft nach dem Strauß-Muster. Nur ist das beinahe in Vergessenheit geraten, weil Stoiber nach seinem Rückzug aus Berlin nach schon zugesagtem Kabinettsposten so geschwächt war, dass er als Gegenpol zu Merkel ausfiel. Heute macht Seehofer den Strauß.
Als Erklärung für Seehofers Agieren wird in der CDU darauf verwiesen, dass sich mit dem Streit auch von dem Milliarden-Desaster der Bayerischen Landesbank ablenken lasse. Ebenso richtig ist aber auch, dass die Stimmung in der CSU was CDU und Kanzlerin betrifft einfach schlecht ist. Die mangelnde Unterstützung der CDU im bayerischen Wahlkampf haben viele noch nicht vergessen. Fast bekommt aber auch dies schon Legendenstatus, der von anderen Ursachen der Wahlniederlage der CSU ablenkt.
Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack, dpa