Dossier

Spielball der Mächte Uiguren von Guantánamo

Noch immer sitzen viele Gefangene, deren Unschuld längst nachgewiesen ist, in Guantánamo fest, weil sie niemand aufnehmen will. Auch die 17 Uiguren warten auf Gerechtigkeit.

Die Uiguren wollen Gerechtigkeit.

Die Uiguren wollen Gerechtigkeit.

(Foto: AP)

Ein wenig erinnert die Szene an einen Tiger im Käfig. Fünf Schritte geht der Gefangene, ehe er vor der Zellenwand steht. Er wendet sich nach rechts, geht weitere fünf Schritte, wieder versperrt eine Wand den Weg. Alltag in Guantánamo im Juni 2009: Mit weichem Gang misst der Gefangene seine Zelle aus, es ist ein sinnloses, verzweifeltes Vorübergehen an den Gitterstäben, während über dem US-Gefangenenlager Kubas tropische Sommerhitze flimmert. Viele hier sind längst vom Terrorverdacht befreit, könnten eigentlich in die Freiheit entlassen werden - finden aber kein Land, das sie aufnehmen würde.

Im Januar hatte US-Präsident Barack Obama angekündigt, das Lager mit seinen inzwischen nur noch 240 Insassen binnen eines Jahres schließen zu wollen. "Bei den Gefangenen hat sich seither nichts geändert", sagt der stellvertretende Lagerleiter Jeffrey Hayhurst. Er berichtet aus dem trüben Lageralltag: Wächter tragen immer noch transparente Plastikmasken, wenn sie die Zellen betreten. Denn alle zwei bis drei Tage greifen Gefangene die Soldaten mit den letzten Waffen an, die ihnen geblieben sind: Kot und Urin.

Reporter dürfen keine Frage stellen

Insgesamt sitzen 17 muslimische Chinesen in Guantánamo.

Insgesamt sitzen 17 muslimische Chinesen in Guantánamo.

(Foto: AP)

Die US-Armee hatte eine kleine Gruppe Journalisten eingeladen, ihn dieser Woche Guantánamo zu besuchen. Offiziere führen die Reporter durch das Lager, zeigen ihnen die inzwischen zwölf verschiedenen Gefangenenunterkünfte, die weiß getünchten Zellen mit Neonlicht und dünner Matratze, die Fitnessanlagen für die Gefangenen. Die nahen Palmen Kubas, das Ufer des Karibischen Meers - sie lassen sich allenfalls ahnen, der Blick nach draußen ist an den meisten Stellen im Lager Guantánamo blockiert.

Hinter einer Gefangenen-Baracke treffen die von US-Offizieren geführten Reporter offenkundig aus Zufall auf eine Gruppe gefangener Uiguren - jener 17 chinesischen Moslems also, um deren Aufnahme Washington unter anderem auch Deutschland gebeten hatte. Es entspinnt sich eine bizarre Begegnung: Einer der Uiguren fragt in holprigem Englisch: "Wer stellt jetzt Fragen?" Die Reporter schweigen, ihnen ist es verboten, mit Gefangenen zu reden - genauso wie anders herum. Also greifen die Uiguren zu ihren Notizbüchern und schreiben in ungelenken Großbuchstaben ihre Gedanken auf.

Fühlen sich von allen unterdrückt

"Wir wollen Freiheit", bekommen die Reporter zu lesen. "Wir sind die unterdrückten Uiguren im Gefängnis." Ein anderer fragt: "Wo ist die Gerechtigkeit?" Auf den handgeschriebenen Zetteln bekommen die Journalisten zu lesen: "Wir wurden bereits in China unterdrückt, jetzt werden wir auch noch in Amerika unterdrückt." "Wo liegt denn der Unterschied zwischen Demokratie und Kommunismus?" Lautlos präsentieren sich die Gefangenen als Menschen, die sich als hilfloser Spielball übergroßer Mächte fühlen und jeglicher Kontrolle über ihr eigenes Schicksal beraubt sind.

Niemand will die Uiguren aufnehmen, also müssen sie voerst in Guantánamo bleiben.

Niemand will die Uiguren aufnehmen, also müssen sie voerst in Guantánamo bleiben.

(Foto: AP)

Als einer der uigurischen Gefangenen reden will, drängt der US-Offizier die Reporter behutsam weiter. "Sie sind ziemlich schüchtern", sagt er zu den Journalisten. Den Uiguren ruft er zu: "Ihr kennt die Regeln!" Ein Gefangener ruft beherzt zurück: "Obama hat uns immer noch nicht freigelassen, warum?"

Die Antwort auf diese Frage dürfte selbst dem US-Präsidenten nicht leicht fallen: In den USA gibt es Widerstand gegen die Aufnahme von Guantánamo-Insassen, selbst eigene Parteifreunde verweigern Obama hier die Zusammenarbeit. Nach China zurück können die Uiguren nicht, weil ihnen dort weitere Haft und vielleicht sogar Folter droht. Deutschland und andere europäische Länder wollen bislang keine Aufnahme zusagen. Für die Uiguren werden wohl noch weitere trübe Tage in Guantánamo folgen. "Sie sind hier sicher", beteuert ein US-Offizier. "Sie bekommen drei Mahlzeiten am Tag."

Quelle: ntv.de, Lucile Malandain, AFP

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