Jahrzehnte nach Kriegsende Verurteilte NS-Verbrecher
17.04.2009, 11:24 UhrMehrere NS-Kriegsverbrecher mussten sich erst Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg vor Gericht verantworten. Sie hatten Menschen in Vernichtungslagern in die Gaskammern getrieben, Häftlinge in KZ ermordet oder in von der deutschen Wehrmacht besetzten Ländern Zivilisten getötet. Einige tauchten unter falschem Namen unter. Andere lebten jahrzehntelang unbehelligt in Deutschland, zum Teil nachdem sie von Behörden anderer Länder in Abwesenheit zu langen Haftstrafen verurteilt wurden.
Dem in den USA lebenden mutmaßlichen KZ-Wächter John Demjanjuk wird Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen vorgeworfen. Dem inzwischen 89-Jährigen soll nun in München der Prozess gemacht werden. In den vergangenen Jahren mussten auch andere erst im hohen Alter für Taten büßen, die vor mehr als einem halben Jahrhundert begangen wurden:
September 2008: In München beginnt der noch laufende Mord-Prozess gegen den 90-jährigen Josef Scheungraber. Er soll im Juni 1944 den Befehl zur Sprengung eines Hauses in Falzano di Cortona in der Toskana gegeben haben, in dem elf Zivilisten zusammengetrieben worden waren. Nur einer überlebte die Explosion. Der Rentner war bereits 2006 wegen des Massakers von einem italienischen Gericht in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
April 2008: Die Dortmunder Staatsanwaltschaft klagt den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Heinrich Boere wegen Mordes beim Landgericht Aachen an. Der in einem Altersheim lebende 86-Jährige soll zwischen Juli und September 1944 als SS-Standartenführer für das SS-Mordkommando "Feldmeijer" drei Niederländer erschossen haben. Im Januar 2009 entscheidet das Gericht gegen die Aufnahme des Prozesses. Einem medizinischen Gutachten zufolge sei Boere nicht in der Lage, als Angeklagter einem Prozess beizuwohnen.
November 2006: Ein Militärgericht in Italien verurteilt den Ex- Wehrmachtsoffizier Heinrich Nordhorn in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. Der während des Prozesses 87 Jahre alte Mann war dem Gericht in La Spezia zufolge im November 1944 an der Tötung von zehn Zivilisten beteiligt.
Dezember 2004: Der NS-Verbrecher Josef Schwammberger stirbt im Alter von 92 Jahren im Vollzugskrankenhaus Hohenasperg. Von 1942 bis 1944 soll er als Kommandant in mehreren SS-Zwangsarbeitslagern im heutigen Polen dafür gesorgt haben, dass tausende Menschen umgebracht wurden. Bis zu seiner Festnahme und Auslieferung hat Schwammberger jahrzehntelang unbehelligt in Argentinien gelebt. 1992 wurde er vom Landgericht Stuttgart wegen Mordes und Beihilfe zum Mord zu lebenslanger Haft verurteilt.
Oktober 2002: Der NS-Verbrecher Anton Malloth stirbt im Alter von 90 Jahren in Straubing. Er war von 1940 bis 1945 Aufseher in dem berüchtigten Gestapo-Gefängnis Kleine Festung Theresienstadt im heutigen Tschechien. Erst im Mai 2001 wurde er vom Landgericht München I wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Juli 2002: Das Hamburger Landgericht verurteilt den früheren Chef des SS-Sicherheitsdienstes in Genua, Friedrich Engel, wegen 59-fachen Mordes zu sieben Jahren Haft. Als "Henker von Genua" war der Mann laut Gericht für die Erschießung von 59 italienischen Geiseln verantwortlich. Der Bundesgerichtshof sah das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht ausreichend bewiesen und hob das Urteil 2004 auf. Wegen des hohen Alters des Beschuldigten wurde das Verfahren eingestellt. Engel starb 2006 im Alter von 97 Jahren als freier Mann.
November 1998: Der damals 85-jährige Erich Priebke wird von einem italienischen Gericht wegen seiner Beteiligung an der Erschießung von 335 Geiseln in den Ardeatinischen Höhlen 1944 zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein Jahr später wird er wegen seiner angegriffenen Gesundheit aus der Haft entlassen und in Rom unter Hausarrest gestellt.
Quelle: ntv.de