"Eine Frage des Wann" Warnung vor Terror-Gefahr
26.09.2008, 16:45 UhrWahrscheinlich war es nur ein Zufall des terroristischen Reiseverkehrs. Zwei Männer werden - offenbar auf dem Weg nach Pakistan zum "Heiligen Krieg" - in Köln aus dem Flugzeug geholt. Zwei andere Männer, Eric Breininger und Houssain al Malla, sind schon vor Tagen aus Pakistan nach Europa zurückgekehrt, womöglich auf dem Weg nach Deutschland. Doch beide Fälle werfen ein Schlaglicht auf eine Bedrohung, die nach der Zerschlagung der "Sauerland-Zelle" vor einem Jahr ein wenig aus dem Bewusstsein verschwunden schien: Die Gefahr eines Terror-Anschlags in Deutschland ist sehr real.
Der lange Zeit gängige Politiker-Satz, Deutschland sei Teil des internationalen Gefahrenraums, darf inzwischen fast schon als Untertreibung gelten. In den Sicherheitsbehörden lautet die Standardantwort zum Thema Anschlagsrisiko inzwischen: "Die Frage ist nicht ob, sondern, wann."
Die Befürchtungen sind sogar konkreter. Zwar konnten die Ermittler mit der Festnahme von Fritz Gelowicz, Daniel Schneider und Adem Yilmaz am 4. September 2007 im Sauerland Anschläge vereiteln - Pläne, hinter denen wahrscheinlich die Islamische Dschihad Union (IJU) stand. Allerdings geht man bei den Sicherheitsbehörden davon aus, dass Deutschland - auch wegen seines Engagements in Afghanistan - nach wie vor im Visier islamistischer Terroristen ist.
"Wer den Krieg will, bekommt ihn"
Nicht auszuschließen, dass Eric Breininger dabei eine Rolle zugedacht ist. Zunächst ging man davon aus, dass sich der 21-jährige Moslem aus dem Saarland in Afghanistan als Selbstmordattentäter in die Luft sprengen könnte - so wie Anfang März der in Deutschland aufgewachsene Türke Cüneyt Ciftci aus Ansbach, der mit einem Kleinlaster voller Sprengstoff mehrere Menschen mit in den Tod riss. "Wer den Krieg will, der bekommt ihn", kündigte der mit Sturmgewehr bewaffnete Breininger im Mai auf einer IJU-Website an.
Dass Breininger, nachdem er sich im Internet gezeigt hat, als Selbstmordattentäter nach Deutschland zurückkehren könnte, hielt BKA- Chef Jörg Ziercke vergangenen Monat noch für wenig wahrscheinlich. Andererseits: Zusammen mit dem gebürtigen Libanesen Houssain al Malla - der für den drei Jahre jüngeren Breininger offenbar eine Art Führungsfigur ist - muss er als gefährlich gelten. Beide werden seit dieser Woche bundesweit mit Fahndungsplakaten gesucht.
Die zwei Männer werden zur IJU gerechnet - der Terrorgruppe, die aus deutscher Sicht derzeit wohl die gefährlichste ist. Breininger wohnte zeitweise mit dem "Sauerland"-Verdächtigen Schneider zusammen. Nach dessen Festnahme durchsuchte die Polizei Breiningers Räume. Doch damals hatte die Polizei nichts gegen ihn in der Hand, so dass er noch im September 2007 ausreiste. Al Malla, kurz zuvor aus Pakistan abgeschoben und nach Deutschland gelangt, folgte im November. Gemeinsam zogen sie ins Grenzland zwischen Afghanistan und Pakistan, wo das Räderwerk des Terrors ineinandergreift.
IJU schwört Treueeid
Dort agiert die IJU, der zwischen 100 und 300 Kämpfer zugerechnet werden - sie gilt als eine der zahlreichen Filialen von El Kaida. Ursprünglich auf nationale Terrorziele in Usbekistan ausgerichtet, hat sie sich dem internationalen "Dschihad" verschrieben und dazu wohl einen Pakt mit El Kaida geschlossen: El Kaida liefert Knowhow und vermutlich auch Geld; im Gegenzug schwört die IJU den Treueeid auf Osama bin Laden und übernimmt Terroraufträge.
Weil die IJU wegen sprachlicher Verwandtschaft offenbar auch Türken und Kurden als Mitglieder gewonnen hat, gilt sie als geeigneter "Auftragnehmer" für Anschläge in Deutschland. So könnte El Kaida auch hinter den "Sauerland"-Plänen gestanden haben. Und beide - IJU wie auch El Kaida - dürften nach wie vor Strukturen in Deutschland unterhalten: Erst vor kurzem wurde ein mutmaßlicher Kaida-Unterstützer aus Germersheim angeklagt, ein weiterer wurde in Sindelfingen festgenommen. Beide sollten offenbar "Kämpfer" rekrutieren und Ausrüstung beschaffen.
Die Festnahmen in Köln und die Fahndung zeigen zwar, wie effizient der Überwachungsapparat der Sicherheitsbehörden inzwischen funktioniert. Dennoch machen sich die Fahnder keine Illusionen. In den vielen Islamisten-Szenen in Deutschland kann es jederzeit zu neuen Radikalisierungen kommen, für die zunehmend auch Bundesbürger anfällig sind, die vom Christentum zum Islam übergetreten sind. Und die größte Gefahr, sagt ein Ermittler, geht von denen aus, die man noch nicht kennt.
Wolfgang Janisch, dpa
Quelle: ntv.de