Dossier

Hessen ohne Regierungsmehrheit Wichtige politische Impulse

Studiengebühren abgeschafft, Schulprobleme angepackt, Diäten angehoben - auch ohne Regierungsmehrheit werden im hessischen Landtag wichtige Entscheidungen getroffen. Die "hessischen Verhältnisse" - mit einer nur noch geschäftsführenden CDU-Regierung und fünf Fraktionen ohne feste Bündnisse - machen die Entscheidungsfindung aber oft mühsam. Das gewohnte Gegeneinander von Regierungsmehrheit und Opposition gibt es nicht. Für jedes Vorhaben müssen sich die Fraktionen Partner suchen, was schon zu erstaunlichen Mehrheiten geführt hat - so hatten CDU, FDP und Linke gemeinsam gegen SPD und Grüne Regeln zur Zwangsexmatrikulation im Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren gestrichen.

Böse Pannen

Die wichtigen politischen Impulse kamen seit Beginn der Legislaturperiode Anfang April aus dem Parlament. Aber gerade die Abschaffung der Studiengebühren hat auch die Grenzen der Gesetzgebung aus dem Parlament heraus aufgezeigt. Ohne sachkundigen Beamtenapparat eines Ministeriums im Rücken drohen böse Pannen. SPD und Grüne konnten ihr Gesetz erst im zweiten Anlauf durchsetzen. Beim Kopieren des Textes verschwand der entscheidende Satz, dass mit den Gebühren nach dem Sommersemester Schluss ist. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) konnte SPD und Grüne medienwirksam zum Nachsitzen verdonnern.

Die neue Vielfalt bringt allen Fraktionen nicht nur viel, sondern auch ungewohnte Arbeit. So liest CDU-Fraktionschef Christean Wagner nicht zuletzt Gesetzentwürfe und Anträge aus dem linken Lager sehr sorgfältig. Wer hat was vor, und mit welchen Mehrheiten könnte das beschlossen werden, lauten die Fragen nicht nur an den Unionspolitiker. Die übersichtlichen Zeiten sind in Hessen vorerst vorbei, in denen eine Regierung oder die sie tragende Mehrheit ihre Gesetzesvorhaben zuverlässig durchbrachte und die Opposition nicht.



Wie bunt es im Landtag zugehen kann, zeigt eine ganze Reihe von Entscheidungen. Eine automatisierte Diätenanpassung beschlossen CDU, SPD und FDP gegen die Linke bei Enthaltung der Grünen. Für den Ausbau der Kinderbetreuung in kleinen und mittleren Unternehmen stimmten CDU, SPD, FDP und Grüne, die Linke lehnte das ab. Die FDP blieb mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Erbschaftsteuer alleine. Einen "Jamaika-Antrag" gab es zur Bahnreform: CDU, FDP und Grüne fordern die Trennung von Schiene und Betrieb. Das Bemühen der FDP um eine Lockerung des Rauchverbots in kleinen Kneipen fand zunächst nur die Zustimmung der CDU. SPD und Grüne sahen dafür keinen Grund. Die Linke könnte Zünglein an der Waage spielen.

Linke Mehrheit setzt Akzente

Die wichtigen Themen setzte die linke Mehrheit durch, sehr zu deren Zufriedenheit. Dabei konnten sich die drei Fraktionen durchaus auf Hilfen CDU-geführter Ministerien stützen und bedankten sich dafür ausdrücklich. Vor allem der inzwischen auch für Schulen zuständige Justizminister Jürgen Banzer heimste Lob dafür ein, wie er Probleme anpackte. Er hielt zwar an der Verkürzung der Gymnasialzeit fest, räumte Kooperativen Gesamtschulen aber die Freiheit ein, zwischen acht oder neun Jahren Gymnasialzeit zu wählen, und versprach Entschlackung der Lehrpläne. "Sie haben ihre Sache gut gemacht, Herr Banzer", befand die Linken-Abgeordnete Barbara Crdenas.

Zum Jahresende wird es ernst

Mit Beginn der Schulferien können sich auch die Politiker eine Auszeit gönnen - der Landtag ist seit dem Wochenende in der Sommerpause. Ab Ende August geht es dann um Themen wie die Kooperationsmöglichkeiten der Sparkassen, erneuerbare Energien und leichtere Bürgerbegehren. Zum Jahresende wird es ernst: An der Frage, ob die politischen Akteure einen Landeshaushalt für 2009 hinbekommen, dürfte sich entscheiden, ob es doch noch eine Regierungskoalition gibt oder Neuwahlen nötig sind. Bisher gibt es keine Anzeichen für die von CDU und FDP gewollte Jamaika-Koalition mit den Grünen. Ob SPD-Chefin Andrea Ypsilanti doch noch einen Anlauf zu einer rot- grünen Minderheitsregierung mit Duldung der Linken wagt, lässt sich derzeit nicht abschätzen.

Von Michael Biermann, dpa

Quelle: ntv.de

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