Rede an die muslimische Welt Obama bietet Neubeginn an
04.06.2009, 22:11 UhrUS-Präsident Obama hat den Muslimen weltweit einen Neuanfang in den Beziehungen zu den USA angeboten: Er wolle den "Kreislauf von Misstrauen und Zwietracht" durchbrechen, sagte er in Kairo. Von Ägypten aus flog Obama zu einem eintägigen Deutschland-Besuch nach Dresden weiter.
In seiner mit Spannung erwarteten Rede in Kairo hat sich US-Präsident Barack Obama für ein Ende von Misstrauen und Zwietracht zwischen dem Westen und der islamischen Welt ausgesprochen und die Muslime weltweit zu einem Neuanfang im gegenseitigen Respekt aufgerufen. "Ich bin hierher gekommen, um mich für einen Neubeginn zwischen den Muslimen und den USA einzusetzen", sagte Obama vor etwa 3000 geladenen Gästen im Großen Saal der Universität Kairo.
Gewalttätige Extremisten hätten die Spannungen ausgenutzt, sagte Obama in Kairo. Die Anschläge vom 11. September 2001 und die Taten der Extremisten hätten bei vielen Amerikanern den falschen Eindruck erweckt, dass die islamische Welt dem Westen und den Menschenrechten feindselig gegenüberstehe. "Solange wir unser Verhältnis über unsere Differenzen definieren, werden wir die stärken, die Hass säen", sagte der US-Präsident.
Er wolle den "Kreislauf von Misstrauen und Zwietracht" durchbrechen. Die USA und der Islam schlössen sich nicht gegenseitig aus und müssten nicht im Wettbewerb zueinander stehen. Vielmehr hätten sie gemeinsame Grundsätze wie Gerechtigkeit, Toleranz und die Würde jedes einzelnen Menschen.
Mit Applaus empfangen
Der US-Präsident, der selbst muslimische Vorfahren hat, war in der Kairoer Universität mit anhaltendem Applaus empfangen worden und auch während der Rede brandete immer wieder Beifall auf. Unter Obamas Vorgänger George W. Bush war das Ansehen der USA in der islamischen Welt erheblich gesunken. Obama hatte zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, die Beziehungen der USA zu den 1,5 Milliarden Muslimen weltweit auf eine neue Grundlage stellen zu wollen. Obama kündigte an, den Bildungsaustausch zwischen den USA und muslimischen Ländern sowie den beiderseitigen Wirtschaftsaustausch zu verstärken. Außerdem werde Washington den Technologie-Transfer in muslimische Länder finanziell fördern.
Der Extremismus in der Welt muss nach Obamas Worten weiter bekämpft werden. Es dürfe keinen Zweifel daran geben, dass die USA sich überall gegen ihre Feinde wehren würden. Al-Kaida habe 3000 Menschen bei den Terroranschlägen in den USA getötet und müsse daher bekämpft werden. "Wir wollen unsere Truppen nicht in Afghanistan behalten, wir wollen dort keine Militärbasen." Niemand sollte jedoch Extremismus tolerieren.
"Der Islam ist nicht Teil des Problems im Kampf gegen den gewaltsamen Extremismus, er ist ein wichtiger Teil, den Frieden voranzubringen", betonte der Präsident. Er erinnerte erneut an seine Aussage in Ankara: Die USA befänden sich "nicht im Krieg mit dem Islam". Er wisse aber auch, dass die Probleme in Afghanistan und Pakistan nicht allein mit Waffen gelöst werden könnten.
Zwei-Staaten-Lösung gefordert
Obama betonte zudem die Rechte der Palästinenser und forderte erneut einen Stopp des israelischen Siedlungsbaus. Es gebe keine Alternative zu einer Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, sagte Obama. Niemand dürfe das Existenzrecht Israels anzweifeln, aber auch Israel müsse die Rechte der Palästinenser anerkennen, forderte Obama.
Der US-Präsident will die islamistische Palästinenserorganisation Hamas in eine Lösung für den Nahostkonflikt einbeziehen. "Damit sie eine Rolle spielen kann bei der Erfüllung der Hoffnungen der Palästinenser und damit das palästinensische Volk wieder geeint wird, muss Hamas die Gewalt beenden, frühere Vereinbarung respektieren und das Existenzrecht Israels anerkennen", sagte Obama. Den Palästinensern riet er, mit friedlichen Mittel für ihre Rechte zu kämpfen.
"Ermutigender Neubeginn"
Die Palästinensische Autonomiebehörde begrüßte Obamas Rede als "ermutigenden Neubeginn". Der Sprecher von Präsident Mahmud Abbas sagte, Obama habe "ehrlich und klar" über Partnerschaft, Vertrauensbildung und Abbau von Spannungen in der Region gesprochen. Seine Äußerungen über das Leid der Palästinenser und die Notwendigkeit der Gründung eines palästinensischen Staates seien ein "wichtiger Schritt in Richtung einer gerechten und umfassenden Friedensregelung in der Region".
Die Hamas reagierte dagegen mit Skepsis. Die Ansprache sei zwar sehr höflich und im Stil der "weichen Diplomatie" gewesen, sagte Hamas-Sprecher Fausi Barhum in Gaza. "Obama hat jedoch nicht darüber gesprochen, dass man die demokratische Entscheidung des palästinensischen Volkes, das Hamas gewählt hat, respektieren muss", sagte Barhum. Zudem fehlten Hinweise auf praktische Schritte zur Beendigung der israelischen Blockade und des Siedlungsausbaus.
Friedliche Nutzung von Atomenergie für Iran
Obama ging auch auf den Irakkrieg ein. Der Waffengang habe die Versäumnisse der US-Politik aufgezeigt, sagte er. Auch wenn er glaube, dass der Irak ohne die Tyrannei des früheren Machthabers Saddam Hussein besser dran sei, habe der Krieg doch gezeigt, dass es wichtig sei, Diplomatie und internationalen Konsens zur Lösung von Problemen zu nutzen, sagte Obama.
Dem Iran sprach Obama das Recht auf die friedliche Nutzung von Atomenergie zu. Die Islamische Republik müsse sich aber an den Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen halten.
Über Twitter verbreitet
Die Rede wurde auch über soziale Netzwerke und die Internetplattform Twitter verbreitet. Praktisch im Minutentakt verbreitete das Weiße Haus über Twitter Auszüge der Rede. Ziel war es, auf diese Weise möglichst auch viele jugendliche Muslime einzubinden.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Rede als wichtigen Beitrag zur Verständigung mit der muslimischen Welt. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana erklärte in Brüssel, mit Obamas "bemerkenswerter Rede" werde zweifellos "eine neue Seite in den Beziehungen zur arabisch-muslimischen Welt" aufschlagen.
Obama war aus Saudi-Arabien kommend in Kairo eingetroffen und auf dem Flughafen vom ägyptischen Außenminister Ahmed Abul Gheit begrüßt worden. Bei einem Treffen mit Präsident Husni Mubarak im Al-Kubba-Palast vesprach Obama, dass er sich für einen umfassenden Frieden im Nahen Osten einsetzen werde. "Ich freue mich darauf, diese Fragen in den kommenden Jahren mit Präsident Mubarak zu diskutieren." Mubarak wirkte nach dem Treffen ungewöhnlich ernst.
Im Anschluss an das Gespräch mit Mubarak besichtigte Obama die Sultan-Hassan-Moschee. Nach seiner "Rede an die islamische Welt" will er ein Gespräch mit Journalisten aus mehreren islamischen Ländern führen.
Kritik von Iran und Al-Kaida
Kurz vor der Rede in Kairo hat Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei die USA scharf angegriffen. "Die Nationen in diesem Teil der Welt ... hassen die USA zutiefst", sagte Chamenei in einer im Fernsehen übertragenen Rede. "Auch wenn sie süße und schöne Reden vor den muslimischen Ländern halten, ändert dies nichts." Auf Worte müssten auch Taten folgen, forderte Chamenei. Er bezeichnete Israel als "Krebsgeschwür im Herzen" der muslimischen Welt.
Auch die radikal-islamische Al-Kaida kritisierte Obama schon vor der Rede scharf. Er und seine Regierung hätten "die Samen für Hass und Rache gegen Amerika gesät" und die Politik von Bush fortgeführt, hieß es in einer Al-Kaida-Chef Osama bin Laden zugesprochenen Botschaft.
Weiterreise nach Deutschland
Von Kairo aus reiste Obama zu einem eintägigen Deutschland-Besuch nach Dresden weiter. Am diesem Freitag wird er auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel politische Gespräche führen. Dabei soll es auch um das weitere Vorgehen im Nahost-Friedensprozess gehen. Zudem sind ein Besuch der Dresdner Frauenkirche und der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar geplant.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts