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Zwischenruf 14,6 plus Westerwelle = 8

Die Kanzlerin distanziert sich von ihren Vizekanzler. Auch die FDP könnte das tun, wenn ihr Chef bei den anstehenden Wahlen zum negativen X-Faktor wird.

FDP-Chef Westerwelle: Wird er zum Wahl-Risiko?

FDP-Chef Westerwelle: Wird er zum Wahl-Risiko?

(Foto: AP)

Nein, Guido Westerwelle tut sich und seiner Partei wahrlich keinen Gefallen mit der Diskussion um eine vorgeblich sozialistische Hartz-IV-Diskussion und "spätrömische Dekadenz". Lassen wir mal dahingestellt, dass solche verquasten und historisch falschen Vergleiche jedem Bildungsbürger die Schamröte ins Gesicht treiben.

Die Debatte selbst aber ist in dreifacher Hinsicht schädlich: Der Chef der Liberalen stellt sich und seine Partei in die Ecke der "Besserverdienenden", aus der die FDP zumindest im Bundestagswahlkampf herausgekommen schien. Der Mittelstand aber ist, wie Westerwelle weiß, in den vergangenen Jahren dramatisch geschrumpft. Für dieses Jahr werden bis zu 40.000 Unternehmenspleiten erwartet. Ein staatliches Programm zur Förderung des Mittelstandes und eine rigorose Kontrolle des Kreditgebarens der Großbanken gegenüber den kleinen und mittleren Unternehmen würden der FDP mehr nützen als theatralische Gesten. Damit würde sie auch dem Image einer Mövenpick-Partei entgegenwirken. Eine Million Euro sind kein Plus von einer Million Stimmen, sondern eher das Gegenteil.

Die Bundesregierung beschäftigt sich wegen der Worte und Widerworte des Vizekanzlers immer wieder mit sich selbst. Politische Initiativen wie das "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" oder die geplante Steuerentlastung verpuffen, weil sie mit heißer Nadel gestrickt und wegen ihrer Fragwürdigkeit Gegenstand von Streit zwischen FDP und Union, zwischen CDU und CSU, Bund und Ländern werden. Die Distanzierung der Bundeskanzlerin von ihrem Stellvertreter ist beispiellos in der jüngeren deutschen Geschichte. Die von Westerwelle geforderte Generaldebatte über Hartz IV wird der Kleinen Koalition weiteren Schaden zufügen.

Im Ausland löst der immer heftig werdende Streit zwischen dem quirligen Außenminister und der Regierungschefin kaum verhohlene Schadenfreude aus. Andererseits ist man besorgt, Deutschland könne in der Krise seinen Anforderungen nicht gerecht werden. Statt vernünftige politische Ansätze wie den Abzug der US-Atomwaffen aus der Bundesrepublik weiter zu verfolgen, hangelt Guido Westerwelle zwischen seinen drei Funktionen hin und her.

Im Bund ist seine FDP in Umfragen von 14,6 auf 8 Prozent gefallen. Das nennt man für gewöhnlich einen Erdrutsch. Wenn die Freidemokraten bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen – wie Umfragen vorhersagen – nur um die 6 Prozent einfahren, wird die bisher eher verhalten geführte Führungsdiskussion um Westerwelle offen ausbrechen. Das Ende von Schwarz-Gelb in Düsseldorf dürfte der Anfang von Schwarz-Grün in Berlin sein. Denn 14,6 plus Westerwelle sind 8. Es sei denn, man teilt Westerwelle durch … Silvana Koch-Mehrin. Zum Beispiel. Dann könnte die Summe – in etwa - 10 lauten.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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