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Zwischenruf Alles Müller, oder was?

Die Landwirtschaft ist in der Europäischen Union nicht irgendetwas. Mit 50 Milliarden oder 43 Prozent stellt die Gemeinsame Agrarpolitik den größten Haushaltsposten in Brüssel dar. Eigentlich sollte sie erst im nächsten Jahr überprüft werden, die Grundsätze der 2003 nach der Osterweiterung beschlossenen Reform bis 2013 Bestand haben. Eigentlich.

Nun haben sich die Agrarminister nach einem für die "Gemeinschaft" typischen Streitmarathon - von diesmal nur 17 Stunden - auf einen Kompromiss geeinigt. Man kann es drehen wie man will: Unterm Strich haben die großen Landwirtschaftsbetriebe in Nord- und Ostdeutschland das Nachsehen. Sie haben den Löwenanteil der Mittel eingestrichen. Die Klein- und Mittelbauern im Süden und Südwesten erhalten vergleichsweise weniger, weil sich die Höhe der Beihilfen nach der produzierten Menge richtet. Gleichwohl sind die Gelder, die ein Landwirt im Schwarz- oder Bayerischen Wald für - zum Beispiel - Investitionen bekommt geringer, weil Hof und Beschäftigtenanzahl kleiner sind und mithin die Menge der produzierten Güter geringer ist. Die großen 0,5 Prozent-Betriebe erhalten mehr als 300.000, 70 Prozent der Kleinen und Mittleren bis zu 10.000 Euro. In Deutschland gibt es insgesamt 1.790 agrarische Großbetriebe, 1.740 davon östlich der Elbe. Dabei handelt es sich aber nicht - wie landläufig beschrieben - um Großbauern, sondern um Nachfolgeeinrichtungen der früheren Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR, in denen die Landwirte häufig Lohnabhängige sind.

Die neue Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner von der CSU sagt, sie hätte das Mögliche herausgeholt. Ihre Unionsfreunde im Norden und Osten sehen das anders und kritisieren das Ergebnis der Nachtsitzung. Erlaubt sei die Frage, ob ein Agrarressortchef aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg nicht mehr gekämpft hätte. Namentlich im strukturschwachen Nordosten mit seiner hohen Arbeitslosigkeit kommt den Subventionen aber eine ungleich größere Bedeutung zu als in Bayern oder Baden-Württemberg mit ihrem hohen Industrialisierungsgrad und ihrer niedrigen Erwerbslosenquote.

Zweifellos kann sich Aigner die Einführung eines Milchfonds auf ihre Fahnen schreiben. Die dänische Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel hatte sich bis zuletzt dagegen gewehrt. Schließlich ist die Bundesrepublik Europas größter Milchproduzent. Der Milchfonds soll die Produzenten auf das Auslaufen der Milchquote im Jahre 2015 vorbereiten. Nun gibt es bekanntlich neben den Haltern von Milchkühen auch jene, die Ackerbau betreiben. Denen nützt der Fonds herzlich wenig. Hinter vorgehaltener Hand heißt es in Brüssel, dass der Fonds nur im Tausch gegen eine Kürzung der Gelder für die ostdeutschen "Großbauern" zu haben war.

Kritiker sagen zu Recht, dass die Mittel vor allem den Molkereien und Milch verarbeitenden Betrieben zugute kommen. Die zahlen den Bauern nämlich gerade einmal 30 Eurocent für den Liter.

Deutschlands größtes Unternehmen dieser Art ist die Theo-Müller-Gruppe, deren bekannteste Marke die "Müllermilch" ist. Der im schwäbischen Aretsried ansässige Konzern macht pro Jahr einen Umsatz von knapp zwei Milliarden Euro. Und agiert nicht nur in Bayern, sondern nahezu EU-europaweit. Alles Müller, oder was?

Quelle: ntv.de

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