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CDU auf Stimmenfang Billigstrom vom AKW

Mit einem echten Taschenspielertrick will die CDU die Akzeptanz für die Atomkraft in der Bevölkerung zurückgewinnen. "Wenn wir die Laufzeiten der kostengünstigen Kernkraftwerke verlängern, könnten wir diese Gewinne an die privaten Haushalte abführen", rechnet der Leiter der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie, Laurenz Meyer, vor. Damit wollen die Christdemokraten gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erledigen: Erstens möchten sie gerne der SPD das Wahlkampfthema "billige Eingangsstromtarife" abluchsen, und zweitens wollen sie die Verlängerung der AKW-Laufzeiten der Bevölkerung als ökologischen und ökonomischen Vorteil verkaufen und dabei in grünen Gefilden wildern.

Der Dumpingpreisschwindel

Wahltaktisch gesehen, gar keine üble Idee: Hier ein paar Stimmchen, dort ein paar Stimmchen. Wirtschafts- und umweltpolitisch gesehen bleibt von dem Vorstoß Meyers nicht viel übrig, denn es gibt mehr als genug ungelöste Probleme, die gegen die Atomkraft sprechen. Reaktorunfälle, gefährliche Transporte, immer mehr Atommüll, die Weiterverbreitung der Atombombentechnologie sowie die Gefahr terroristischer Anschläge. Auch technisch und wirtschaftlich ist die Atomenergie ein Auslaufmodell, denn Uran ist ein begrenzter Rohstoff wie Öl und Gas. Wenn Laurenz Meyer und die CDU an einer Renaissance der Atomkraft arbeiten, verschweigen sie, dass das nur mit staatlicher Unterstützung geht. Nur so können die Dumpingpreise entstehen und der Wettbewerb bleibt außen vor.

Der Bundestag hat 2002 ein nationales nukleares Klimaschutz-Szenario durchrechnen lassen. Demnach müssten bis 2050 in Deutschland etwa 60 neue Atomkraftwerke gebaut werden. Das wäre nicht nur unbezahlbar (der Neubau eines Atomkraftwerks mit 1,5 Gigawatt Leistung kostet derzeit rund 3,5 Milliarden Euro), sondern auch praktisch nicht machbar. Energieexperten haben ermittelt, dass Atomtechnologie nur noch in Ländern mit einer staatlichen Wirtschaftsplanung geordert werde. Privates Risikokapital scheue nämlich die hohen Kosten und Risiken.

Der Schwindel vom grünen Atomstrom

Schon mal vorab: Atomenergie birgt kein klimarettendes Potenzial in sich. Freilich, der Hauptverursacher des Klimawandels ist Kohlendioxid. Wann immer fossile Energieträger verbrannt werden, wird CO2 in die Erdatmosphäre freigesetzt. Nach Angaben der OECD sind etwa 80 Prozent der zurzeit eingesetzten Primärenergie fossiler Natur, also Erdöl, Kohle und Erdgas. Uran, in Atomkraftwerken eingesetzt, hat einen Primärenergieanteil von nur 6 Prozent. Und es ist, wie fossile Energieträger auch, endlich. Allein beim Weiterbetrieb der aktuell laufenden Meiler reicht Uran laut OECD nur noch etwa 65 Jahre.

Nicht zu vernachlässigen ist auch die Verteilung der so genannten Verschmutzungszertifikate. Der Wunsch nach noch mehr Atomstrom auf Grund längerer Laufzeiten würde unterm Strich mehr Raum für den Neubau von CO2-intensiven Kohlekraftwerken bedeuten. Da diese auch in ferner Zukunft nicht durch CO2-Abscheidungstechnologien umgerüstet werden können, aber im Schnitt vier Jahrzehnte laufen, würden so durch die größere Menge CO2-armen Atomstroms zwar kurzfristig die Klimaziele der Bundesrepublik erreicht, mittelfristige und langfristige Klimaschutzziele würden jedoch krass verfehlt.

Positiver Modernisierungsdruck

Würden jetzt tatsächlich die Laufzeiten der Atomkraftwerke um zehn Jahre verlängert, wie Meyers Arbeitsgruppe es vorschlägt, würde die gerade in Gang gekommene Modernisierung der Energiewirtschaft gestoppt und letztlich das Problem des Klimawandels sogar verschlimmert. Der durchaus positiv zu verstehende Modernisierungsdruck ist nämlich auch Motor für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Erschließung der enormen Effizienzpotenziale. Bei einer Laufzeitverlängerung würde dieser Modernisierungsdruck massiv abgeschwächt.

Die einzige Option

Meyers Arbeitsgruppe hat sich nicht mit den Risiken der Atomkraft auseinandergesetzt. Viel zu schnell wird man dabei polemisch. Auch soll an dieser Stelle nicht weiter darauf hingewiesen werden, dass es allein in den 17 deutschen Reaktoren jedes Jahr etwa 140 "meldepflichtige Ereignisse" gibt und dass sich weltweit täglich zwei "Zwischenfälle" in Atomreaktoren ereignen, die potenziell unabsehbare Folgen haben können – das weiß ja jedes Kind.

Wichtiger ist es jedoch daraufhinzuweisen, dass die klimafreundlichste Energiequelle die Vermeidung von Energieverschwendung, also die Energieeffizienz, ist. Riesige Einsparpotenziale, die sich aus Verlusten bei der Energieerzeugung und -übertragung ergeben, liegen noch immer brach. Im Gegensatz zu nuklear und fossil befeuerten Großkraftwerken können beispielsweise Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen den eingesetzten Brennstoff fast vollständig in Nutzenergie umsetzen. Erneuerbare Energien (wie Geothermie, Wind, Sonne, Wasser und Biomasse) haben fast keine Treibhausgasemissionen, sie sind zudem unerschöpflich und allein schon deshalb auf lange Sicht die einzige Option.

Quelle: ntv.de

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