Zwischenruf Das südsudanesische Glashaus
29.06.2011, 14:06 Uhr
Hu Jintao (l) empfängt Omar al-Baschir in Peking.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Westen kritisiert China wegen seiner Beziehungen zum Sudan, dessen Präsident mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Derweil müht man sich um gute Beziehungen zum Südsudan, der in der übernächsten Woche unabhängig wird und alles andere als eine Demokratie ist.
Mit der westlichen Kritik an China ist das so eine Sache: Es sei nicht hinnehmbar, dass Premier Wen Jiabao einerseits mit dem Füllhorn durch Europa reise und Präsident Hu Jintao andererseits für den vom Internationalen Strafgerichtshof im niederländischen Den Haag per Haftbefehl wegen Völkermords gesuchten sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir den roten Teppich ausrolle, heißt es allenthalben. Vergessen wird gern, dass neben China und Russland auch die Vereinigten Staaten von Amerika den IStGH nicht anerkennen. Auch zwingt ja niemand Großbritannien, Deutschland und Ungarn, die Angebote aus Peking anzunehmen.
Mit dem Empfang al-Baschirs zeigt die Volksrepublik, dass sie sich einen Teufel um den Vorwurf der Doppelzüngigkeit schert. Was zählt, sind allein die eigenen, nationalen Interessen. Und die bestehen im Falle des Sudan in den Erdöl-, Eisen-, Gold- und Uranreserven des Landes an der Grenze zwischen Nord- und Schwarzafrika.
Der Großteil der Erdöllagerstätten aber geht mit der bevorstehenden Teilung des Staates am 9. Juli in einen islamisch dominierten Norden und einen christlich-animistisch geprägten Süden an den neuen Staat Republik Südsudan. Dort herrscht die Südsudanesische Volksbefreiungsbewegung SPLM. Deren links klingender Namen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die USA zu den wichtigsten Geldgebern und Waffenlieferanten zählen.
Die ökonomische Bedeutung des neuen Staates lässt sich auch daran bemessen, dass Bundesaußenminister Guido Westerwelle bei seinem kürzlichen Besuch in Juba, der Hauptstadt des Staates, ein umfangreiches Engagement in Aussicht gestellt hat. Wer aber nun daraus folgert, der Süden wäre ein Hort der Demokratie, liegt schief. Grassierende Korruption und brutales Vorgehen gegen Dissidenten gehörten und gehören zum Alltag. Es ist also schlecht Steinewerfen gegen China und (Nord-)Sudan, wenn man selbst im südsudanesischen Glashaus sitzt.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de