Liberale Hoffnung Lindner Der FDP droht die Farce
03.01.2011, 13:04 Uhr
Westerwelle (l.) und Lindner: Droht den beiden ein ähnliches Schicksal?
(Foto: dpa)
Für die FDP geht es längst nicht mehr um ein paar Landtagswahlen, sondern um den Sinn ihrer Existenz. Wofür kann die Partei überhaupt noch glaubhaft stehen? Generalsekretär Lindner mag das Problem verstanden haben. Eine Lösung des liberalen Dilemmas hat auch er nicht.
Vor zwei Jahren veröffentlichten zwei aufstrebende Jungliberale einen Sammelband, der Punkt für Punkt durchdeklinierte, was liberale Politik ist. Im Vorwort schrieben sie, als FDP-Politiker werde man oft Zeuge ungläubigen Staunens. Gesprächspartner fragten: "Dafür steht die FDP? Das war mir nie klar." Wer sich für die Freien Demokraten engagiere, so heißt es weiter, der kenne diese Reaktion nur zu gut. "Viele unserer Gesprächspartner hatten ein Bild des Freiheitsbegriffs der FDP, das nicht viel mehr als eine böse Karikatur war."
Diese Sätze beschreiben das liberale Dilemma: Liberale Ideen mögen für viele grundsätzlich attraktiv sein, sie sind dennoch schwer verkäuflich. Wie konnte es dazu kommen? Lag es daran, dass die FDP sich selbst in den 1990er Jahren zum Mehrheitsbeschaffer für den CDU-Kanzler Helmut Kohl degradiert hatte? Lag es daran, dass sie die ersten Oppositionsjahre mit intensiven Machtkämpfen vergeudete? Daran, wie Wolfgang Gerhardt 2001 als Parteichef, fünf Jahre später auch als Fraktionschef beseitigt wurde? Lag es am Umgang mit dem FDP-Querulanten Jürgen Möllemann?
Guido Westerwelle war an all diesen Krisen beteiligt, meist als Verkünder der Lösung. Er versprach der FDP größere Eigenständigkeit und hat sie nur noch enger an die Union gekettet. Er wollte die FDP inhaltlich öffnen und hat sie auf ein einziges Thema verengt. Wofür, außer für Steuersenkungen für Gutverdienende, kann der politische Liberalismus heute noch glaubwürdig stehen?
Ausgerechnet Marx
Die Herausgeber des eingangs zitierten Bandes waren Christian Lindner, damals nordrhein-westfälischer FDP-Generalsekretär, und der niedersächsische Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Ihr Buch erschien vor der jüngsten Bundestagwahl, an deren Ergebnis Westerwelle sich monatelang berauschte. Im Vorwort der beiden Jungpolitiker findet sich keine Vorahnung auf diesen Rausch, im Gegenteil: Lindner und Rösler erinnern an die "Krisenjahre" 1993 bis 1995, die prägend für die junge Generation in der FDP gewesen seien.
Christian Lindner, am 7. Januar 32 Jahre alt und seit einem Jahr Generalsekretär der Bundes-FDP, ist mittlerweile die letzte Hoffnung für die Zeit nach Westerwelle. Auch er will die FDP öffnen, auch er will sie bündnisfähig für SPD und Grüne machen. Eine wirkliche Antwort auf das liberale Dilemma hat er aber nicht.
Westerwelle war bereits 32, als er Generalsekretär wurde, und musste noch sieben Jahre warten, bis er Parteichef wurde. Auch damals war die FDP in schweren Krisen, auch er war eine Zukunftshoffnung. Alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen ereignen sich zweimal, schrieb, ausgerechnet, Marx: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.
Quelle: ntv.de