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Zwischenruf Der Kaiserin neues Trikot

Nach wochenlangen mal offenen, mal versteckten Angriffen auf Angela Merkel aus den eigenen Reihen hat die Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende nun in der Bild-Zeitung betont sachlich reagiert. Namentlich bekam niemand etwas ab. Die Ausnahme: Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger erhielt eine Backpfeife für seine Forderung, Frau Merkel solle die Uniform der Kanzlerin ablegen und die der Parteichefin anziehen.

Die Probleme sind damit nicht aus der Welt. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer lässt dem Unmut über die Kritik am Papst in Sachen Holocaustleugner Williamson Taten folgen. Seine Reise nach Rom zur Teilnahme an Benedikts Generalaudienz ist ein offener Affront gegen die ostdeutsche Protestantin. Damit festigt er ganz sicher den Rückhalt seiner Partei bei den katholisch-konservativen Wählern, versöhnt die Katholiken und Konservativen in der CDU aber nicht mit deren Vorsitzender.

Ob sich die Vertriebenenorganisationen mit den lobenden Worten von Angela Merkel für Erika Steinbach zufriedengeben, ist fraglich. Die CDU-Abgeordnete bleibt bei der Besetzung des Präsidiums der geplanten Stiftung gegen Vertreibung unverändert außen vor. Sollte Frau Steinbach ihre Ankündigung, sie wolle es noch einmal versuchen, jedoch vor den Bundestagswahlen wahrmachen, käme dies einem frontalen Angriff auf die Kanzlerin mit unbekanntem Ausgang gleich.

Innerparteiliche Attacken

Eigentlich ist Frau Merkel schon seit ihrer Wahl zur CDU-Vorsitzenden vor knapp neuen Jahren Ziel von innerparteilichen Attacken. Man entsinne sich der Intrigen des so genannten Andenpakts um Roland Koch, Christian Wulff & Co., des entwürdigenden Wolfratshausener Frühstücks mit Edmund Stoiber, als dieser ultimativ seine Kanzlerkandidatur durchsetzte. Damals brauchte es keine Uniform, ein dickes Fell reichte.

In Zeiten mehr oder weniger florierender Konjunktur war es für die CDU-Chefin zudem vergleichweise leichter die Angriffe abzuwehren. In der Krise aber treten die Gegensätze offen zutage. Es wird schwerer, die drei Grundströmungen der CDU, die christlich-soziale, die konservative und die liberale, unter einen Hut zu bringen. Es brauchte einen Stahlhelm, um ein Bild des früheren CDU-Generalsekretärs Heiner Geisler zu bemühen. Den kann sich die Uniformgegnerin aber nicht aufs Haupt stülpen. Angela Merkel ist auf ihre Widersacher so sehr angewiesen wie diese auf sie. Einer der Kritiker, Brandenburgs konservativer CDU-Innenminister Jörg Schönbohm, brachte es auf den Punkt, als er sagte, man könne die Wahlen nicht gegen Angela Merkel gewinnen.

Superwoman-Trikot mit CDU-Logo

Natürlich wird Frau Merkel nicht zur Vorkämpferin des Sozialismus, wie manch einer menetekelt, wenn sie für eine aktivere Rolle des Staates in Wirtschaft und Finanzen plädiert. Nach Überwindung der Krise könne man wieder zur Normalität, zum alten Kurs zurückkehren, sagt sie klipp und klar. Unabhängig davon, dass damit die nächste Krise programmiert ist, erscheint dem CDU-Wirtschaftsflügel der jetzige Diskurs der Parteichefin gleichwohl als Abfall vom wahren Glauben.

Darum brechen der CDU traditionelle Wählerschichten wie Mittelständler und Landwirte weg und bescheren der FDP fast Möllemannsche Umfragewerte. In den neuen Ländern ist die Linke vor den Christdemokraten zur stärksten Partei geworden.

Eine streitende Partei ist kein Angebot. Je näher der Wahltermin rückt, desto größer muss auch in der Union wieder die Eintracht werden. Der SPD-Kanzlerkandidat hat mit seiner Merkel-Kritik im "Stern" eine Steilvorlage geliefert, die die Parteichefin in ein Tor umwandeln kann. Dazu aber wird die Kaiserin, wenn schon keine Uniform, so doch neue Kleider anziehen müssen. Und zwar solche, die für alle sichtbar sind, innerparteiliche wie innerkoalitionäre Kontrahenten. Vielleicht ein Superwoman-Trikot mit einem großen CDU-Logo drauf. Ob die Bundeskanzlerin damit aber die Krise in den Griff bekommt, steht in den Sternen. So etwas nennt man ein Dilemma.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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