Zwischenruf Der Türkenlouis vom Main
06.01.2008, 17:33 UhrRoland Koch steht das Wasser zwar nicht bis zum Hals, aber hin und wieder schwappen die Wellen gefährlich über ihm zusammen. Umfragen besagen, dass seine CDU bei den Landtagswahlen am 27. Januar ihre Mehrheit im Wiesbadener Stadtschloss verlieren könnten.
Roland Koch ist nicht der Mann, der so etwas tatenlos hinnimmt. Auf brutalstmögliche Weise greift er in die Trickkiste und zaubert die Gefahr burkaverschleierter Schulmädchen hervor. Als dies ungefähr so wirkt wie eine Kampagne gegen die Mückenplage in der Antarktis, nimmt er die rücksichtslosen Überfälle zumeist türkischer Jugendlicher in der Münchner U-Bahn zum Anlass für einen Rundumschlag gegen ausländische Jugendkriminelle. Das könnte helfen, glaubt der Christdemokrat. Und liegt damit gar nicht so falsch: Immerhin hatte er mit seiner Unterschriftenkampagne gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft 1999 reiche Ernte eingefahren.
Zwar sagt der Deutsche Richterbund, die bestehenden Gesetze gegen Jugendkriminalität reichten aus, man müsste sie nur konsequent anwenden. Doch das ficht einen nicht an, der auszieht, anderen das Fürchten zu lehren. Bundeskanzlerin Angela Merkel und sogar Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sind nach anfänglichem Widerstand gegen die Einrichtung so genannter Erziehungslager für jugendliche Straftäter unter dem Druck aus Wiesbaden eingeknickt. Das kann die Regierungschefin – falls die Taktik des Türkenlouis vom Main Erfolg zeitigt – teuer zu stehen kommen. Sollte der neue Ministerpräsident in Hessen der alte sein, dann wird er alle Räder in Gang setzen, den Merkelschen Sozialdemokratisierungskurs noch stärker zu torpedieren als bislang. Dies wäre dann eine weitere Belastung der großen Koalition in Berlin. Ganz zu schweigen von den neuerlichen Spannungen im Verhältnis zur Türkei, wo man den Chef der Hessen-CDU schon jetzt als neuzeitlichen Kreuzritter sieht.
Dass ausländische Jugendliche oder solche mit Migrationshintergrund in Deutschland Straftaten begehen, ist Fakt. Tatsache ist aber auch, dass deren Anteil an der Gesamtjugendkriminalität zurückgegangen ist. Die Kampagne von Roland Koch ist nicht dazu angetan, diesen Trend weiter zu befördern. Im Gegenteil. Am heutigen Sonntagmorgen gab es schon wieder einen Überfall ausländischer Jugendlicher in der Münchner U-Bahn.
Quelle: ntv.de