Zwischenruf Der grüne Fischzug
12.10.2009, 14:33 UhrDie Entscheidung der Saar-Grünen für eine Koalition mit der CDU und der FDP ist ein weiterer Meilenstein der Entwicklung der Partei in die bürgerliche Mitte. Jene, die angetreten waren, die Institutionen in einem langen Marsch von innen heraus zu verändern, sind des Marschierens müde: Die Institutionen haben die Grünen verändert.

Der Landesparteitag der Grünen stimmte am Sonntag mit 117 von 150 Stimmen für Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP.
(Foto: dpa)
Als sie 2005 in die Opposition gehen mussten, befürchteten sie ins politische und mediale Abseits gestellt zu werden. Das Gegenteil war und ist der Fall. Zwar sind sie die kleinste der Parteien, doch ihr angepasstes Politikkonzept macht sie für ihre früheren Erzgegner akzeptabel. Dadurch erlangen sie ein beachtliches Gewicht. Im Saarland entscheidet eine 5,9-Prozent-Formation über die künftige politische Richtung und verhilft einem eklatanten Wahlverlierer auf dem Ministerpräsidentensessel zu verbleiben.
Die Grünen sind zu ihrem eigenen Scharnier geworden, mit dem sie sich die Tür zur (Regierungs-)Macht offenhalten. Dabei haben sie sich von ihrem ursprünglichen, natürlichen - weil inhaltlich ähnlich gelagertem - Bündnispartner SPD entfernt: Der Gründungskonsens wurde schrittweise aufgegeben respektive verwässert. Außenpolitisch ging der Pazifismus über den Jordan, innen- und wirtschaftspolitisch stehen die Grünen inzwischen auf ähnlichen Grundlagen wie die Union. Für ihr Beharren auf einem nationalen Mindestlohn wird sich ein Kompromiss finden lassen.
Während die Sozialdemokraten einen Großteil ihrer früheren Klientel durch Agenda 2010, Hartz IV und Jugoslawien-Krieg verloren, konnten die Grünen auf einen Wandel in ihrer Anhängerschaft selbst setzen. Der gutsituierte Angestellte und Intellektuelle hat in weiten Teilen den sozial benachteiligten Rebellen ersetzt. Oder dieser gehört nun gar zu den sozial Bessergestellten. Gegen sich selbst ist schlecht rebellieren.
Zwar wird der grüne Vogel wieder aufgeregt mit seinem linken Flügel schlagen, aber der hat sich schon mehr als einmal mit dem "fait accompli" abgefunden. Ob der eingeschlagene Weg der richtige ist, weiß allein die Zeit. Reibereien mit den Freien Demokraten sind programmiert: Deren Zuwachs erklärt sich aus dem erfolgreichen Fischzug bei der CDU, deren enttäuschte Wähler gut und gern auch wieder in den Unionsschoß zurückkehren, wenn die Christdemokraten in den (neo-)liberalen Sirenengesang einstimmen. Für zwei Fischer ist der Teich zu klein.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de