Suche nach dem Gauck-Konkurrenten Die Linke und "König Otto"
24.02.2012, 11:35 Uhr
Gesine Lötzsch und Klaus Ernst bekommen die schnelle Regelung der Kandidatenfrage nicht hin.
(Foto: Reuters)
Die Linke verpasst eine schnelle und überzeugende Antwort auf ihre Ausbootung bei der Kandidatensuche für die Bundespräsidentenwahl durch Angela Merkel. Zwischen Beate Klarsfeld, Luc Jochimsen und Christoph Butterwegge soll nun entschieden werden. Das Gerangel um den designierten Wahlverlierer verdeutlicht einmal mehr die innere Zerrissenheit der Partei.
Es ist sicherlich falsch, politische Parteien und Fußballklubs in einen Topf zu werfen. Zu verschieden sind ihre Wirkungsbereiche und die daran beteiligten Personen. Dennoch zwingen gewisse Vorgänge innerhalb dieser Biotope den Betrachter zu Vergleichen. So haben beispielsweise die Linkspartei und der Berliner Bundesligist Hertha BSC auf den ersten Blick nur wenige Gemeinsamkeiten. Wenn man allerdings genauer hinschaut, entdeckt man etliche - natürlich ungewollte - Parallelen.
Beiden, den Linken und der "alten Dame" Hertha, geht es derzeit schlecht. Die hauptstädtischen Kicker laufen Gefahr, bei einer anhaltenden Negativserie aus dem deutschen Fußball-Oberhaus zu verschwinden. Die Linke kämpft zwar nicht um Punkte, sondern um Prozente. Aber bei Umfragewerten um sieben Prozent - das sind immerhin rund fünf Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl 2009 - rückt naturgemäß die für den Einzug in das Parlament relevante Fünf-Prozent-Hürde immer näher. Nun haben die Herthaner eine neue Führungskraft, der - schenkt man Presseberichten Glauben - mit den Jungspunden Kopfbälle übt beziehungsweise ihnen Disziplin beibringt. So einer fehlt derzeit der Linkspartei, deshalb gibt sie aufgrund unzureichenden Mannschaftsspiels als immerhin zweitstärkste Oppositionspartei im Berliner Reichstag ein jämmerliches Bild ab.
Nun aber weg vom Fußball: Es gab die große Hoffnung, dass die Truppe um Oskar Lafontaine und Gregor Gysi in Verbindung mit der anstehenden Wahl des Bundespräsidenten wieder mit positiven Schlagzeilen aufwartet. Angela Merkel hat den Dunkelroten mit ihrer Maßnahme, sie bei der Suche nach einem überparteilichen Kandidaten außen vor zu lassen, brüskiert. Im Karl-Liebknecht-Haus schäumte man vor Wut. Auch seitens von SPD und Grünen, deren Vertreter an Merkels Tisch gelassen wurden, wurde Unverständnis geäußert. Sie sahen darüber hinweg, dass, hätte die Linke 2010 ihren Kandidaten unterstützt, Christian Wulff nicht einmal in die Nähe von Schloss Bellevue gekommen wäre. Nicht, dass die SED-Nachfolgepartei den Rostocker Pfarrer diesmal mitgetragen hätte: Verschiedene Meinungen zu Hartz IV, Occupy-Bewegung und Afghanistan beweisen, dass die Linken und Gauck zu weit auseinanderliegen.
Kurze Zeit sah es so aus, dass die Frauen und Männer aus dem Karl-Liebknecht-Haus den Ball, den die Kanzlerin ihnen zugespielt hat, aufnehmen und mit der langjährigen Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld einen respektablen Gegenentwurf zu Gauck präsentieren würden. Ihre Vorstellung am Tag, an dem Deutschland der Opfer der Nazi-Mordserie gedenkt, hätte zweifellos für Aufsehen gesorgt - und zwar im positiven Sinne. Daraus wurde aber bekanntlich nichts, denn , der eigentlich - die Kräfteverhältnisse in der Bundesversammlung sind nun eben mal so - nur der designierte Verlierer sein wird.
Aufgescheuchter Hühnerhaufen
Die glücklose Co-Chefin Gesine Lötzsch hat einen wesentlichen Anteil an diesem Desaster. Sie hatte nämlich auf dem Parteitag der Brandenburger Linken im Dörfchen Blossin ausgeplaudert, dass Klarsfeld ihre Wunschkandidatin wäre. Diese Äußerung hätte nicht für viel Aufsehen gesorgt, wenn Lötzsch eben nicht Bundesvorsitzende dieser schwierigen Partei wäre. Der Geist war aus der Flasche: Der Name Klarsfeld geisterte durch die Medien und die in Paris lebende Aktivistin, die 1968 in Westberlin CDU-Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger aufgrund seiner früheren Mitgliedschaft in Adolf Hitlers NSDAP eine Ohrfeige verpasste, erklärte ihre Bereitschaft zur Kandidatur.
Richtig ist, dass Personen, die nicht der Partei angehören, von dieser sich nicht kontrollieren lassen wollen beziehungsweise - sonst wären sie Mitglied - mit eigenen Vorstellungen aufwarten. Sie wolle "kein Anti-Gauck" sein, stellte Klarsfeld klar. Der Ex-Stasi-Jäger stehe für den Kampf um Menschenrechte in der DDR, und sie stehe für die Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen. Diese Aussage hatte gesessen, denn nun wurde klar, dass die 73-Jährige der Linkspartei während der Wahlkampagne sehr unbequem werden könnte.
So gleichen die Linken wieder einmal einem aufgescheuchten Hühnerhaufen. Nun gelten neben Klarsfeld auch , der seit geraumer Zeit gegen Riester-Rente und Hartz IV zu Felde zieht, und - wieder einmal - Luc Jochimsen als Kandidaten für das höchste deutsche Staatsamt. Dabei ist der Fall Jochimsen schon bemerkenswert und zeigt in aller Deutlichkeit die innere Zerrissenheit der Linkspartei. Die langjährige Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks wartete nach Merkels nicht erfolgter Einladung immerhin mit dem kleingeistigen Vorschlag auf, die Bundespräsidentenwahl zu boykottieren.
So gibt es also doch noch einen großen Unterschied zwischen der Hertha und den Linken. Der Fußballklub hat bei sich die Machtfrage zumindest bis zum Sommer geklärt. Bei den Sozialisten steht sie noch aus: Glaubt man den Äußerungen von Lötzschs Kollegen Klaus Ernst in der "Berliner Zeitung", dann eilt am Montag Lafontaine von der Saar an die Spree und regelt die Sache. Deutlicher kann man die eigene Führungsschwäche und das Unvermögen, Personalentscheidungen ohne großes Getöse zu moderieren, nicht zum Ausdruck bringen. Aber vielleicht holt sich das Spitzenpersonal der Linken Rat bei "König Otto". Der ist nämlich am 18. März auch im Reichstag zugegen - allerdings für die Berliner CDU und damit wohl als Gauck-Wähler.
Quelle: ntv.de