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Zwischenruf Die Schakale der Spekulation

Die EU agiert gegenüber den Krisenländern wie der Arzt, der Patienten mit gebrochenen Beinen Hochsprungübungen verschreibt. Leider ist von dem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel wenig Neues zu erwarten. Derweil starrt das europäische Karnickel wie gebannt auf die Schlange der Ratingagenturen und wartet, bis sie wieder zubeißt.

Die Ratingagenturen als Schakale? Sie sind nicht die Ursache von Finanzkrisen. Aber deren Katalysatoren.

Die Ratingagenturen als Schakale? Sie sind nicht die Ursache von Finanzkrisen. Aber deren Katalysatoren.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Griechenland, Portugal und jetzt Italien. Die "Schakale der Spekulation", wie die italienische Tagszeitung "Liberazione" mit Blick auf die Ratingagenturen Standard & Poor’s, Fitch und Moody's schreibt, sind wieder auf dem Sprung. Im Unterschied zu ihren Artgenossen im Tierreich töten sie ihre Beute jedoch selbst und machen sich dann über deren Kadaver her. Die Stoßrichtung der sämtlich in den Vereinigten Staaten ansässigen Institutionen legt den Schluss nahe, dass es das Land des Dollars darauf abgesehen hat, die neben dem Greenback wichtigste Währung der Welt in Grund und Boden zu stampfen. Da wirkt der Ruf von EU-Justizkommissarin Viviane Reding, das "trio infernal" zu vernichten wie das Anblasen des Treibens bei der Jagd. Die Frage ist nur, ob die europäischen Waidgenossen dem Aufschrei der luxemburgischen Christdemokratin folgen.

Schon lange wird in Brüssel von der Schaffung einer europäischen Ratingagentur geschwafelt. Getan hat sich bisher nichts. Auch Bundespräsident Christian Wulff hatte das Dreier-Pack jüngst heftig attackiert und gefordert, dass die Politik wieder den Primat übernimmt. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel wandert durch das zu Italien gehörende Südtirol, statt gegen das über dem Apennin dräuende Unwetter initiativ zu werden.

Natürlich sind die Ratingagenturen nicht die Ursache von Finanzkrisen. Doch sie sind deren Katalysatoren. Ihre Lügen über die Bonität der maroden Lehman Brothers haben wesentlich zum Ausbruch der Krise 2008 beigetragen. Gleiches gilt für die Heuschrecken der US-amerikanischen Hedgefonds, die im Falle Italiens Riesensummen auf eine Vertiefung der Schuldenkrise gewettet haben. Man stelle sich vor: Profitorientierte Privatunternehmen haben einen Einfluss, der es ihnen gestattet, ganze Staaten und Staatengemeinschaften samt deren Bewohnern ins Unglück zu stürzen. Und die Regierenden lassen sich's gefallen. Man brauche ja nicht auf das Urteil der Agenturen zu hören, lautet die höhnische Antwort aus Übersee. Stimmt eigentlich.

Doch die Europäer streiten weiter über die Beteiligung der Banken an den Rettungspaketen. Die Europäische Zentralbank fordert einen Rettungsschirm in Höhe von anderthalb Billionen Euro für Italien, der ebenso wenig Schutz gegen Schakale und Heusschrecken bietet wie die Pakete für Portugal oder Griechenland: Seit dem Eintreffen der Sendungen in Athen und Lissabon senken die Ratingagenturen munter weiter ihre Daumen; die EU bürdet den Ländern Sparprogramme auf, welche verhindern, dass die betroffenen Volkswirtschaften wieder auf die Beine kommen. Es ist grad so, als verordne der Arzt Patienten mit gebrochenen Gliedmaßen tägliche Hochsprungübungen. Leider ist von dem Treffen der EU-Finanzminister mit den Großkopfeten Herman Van Rompoy und José Manuel Durão Barroso in Belgiens Hauptstadt kaum etwas anderes zu erwarten. Bliebt die Hoffnung, dass Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker den Ruf seiner Landsmännin und Parteifreundin Viviane Reding aufnimmt. Wenn bei der Schakaljagd nicht bald Halali geblasen wird, sind am Ende die Jäger tot und nicht die Gejagten.

Quelle: ntv.de

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