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Warum der grüne Umverteilungskurs nicht ankommt Die traurige Legende von Robin Hood

Grünen-Chef Özdemir vergleicht seine Partei mit Robin Hood und Schwarz-Gelb mit dem Sheriff von Nottingham.

Grünen-Chef Özdemir vergleicht seine Partei mit Robin Hood und Schwarz-Gelb mit dem Sheriff von Nottingham.

(Foto: REUTERS)

Die Grünen wagen mit ihrer Steuerpolitik ein Experiment. Sie setzen auf Erhöhungen statt Senkungen, um am 22. September bei den Bürgern zu punkten. Das könnte schiefgehen. Sie lassen sich vom Idealismus ihrer Stammwähler blenden.

Kann man so Wahlen gewinnen? Die Grünen haben auf ihrem Parteitag

umfangreiche Umverteilungspläne beschlossen – höhere Spitzensteuersätze, eine Vermögensabgabe, das Ende des Ehegattensplittings. Reiche sollen zahlen, um für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Ein hehres Ziel, doch dem Wahlergebnis der Grünen wird dieser Kurs kaum dienen. Die Grünen lassen sich von der Klientel ihrer Anhänger blenden. Sie halten sich für moderne "Robin-Hoods" (Grünenchef Cem Özdemir), doch bei vielen Wählern kommt ihr Kurs ganz anders an.

Ein Blick zurück zeigt: Wahlen gewinnt eine Partei mit Steuersenkungen. Zuletzt machte das die FDP vor. "Mehr Netto vom Brutto" - 2009 fuhr sie bei der Bundestagswahl mit einem völlig auf diese Philosophie hin entgrateten Kurs das Rekordergebnis von 14,6 Prozent ein. Ihr Absturz folgte, als dem Wähler klar wurde, dass ihnen Guido Westerwelle zwar viel versprechen, aber allzu wenig liefern konnte.

Gute Gründe für die Umverteilung

Es ist schade, dass Wähler so ticken. Nicht, weil die FDP darum im Umfragekeller gelandet ist. Sondern weil es mehr als genug Gründe dafür gibt, gezielt einzelne Steuern zu erhöhen, statt sie zu senken. Der Armutsbericht der Bundesregierung, der nicht im Ruf steht, die Lage in Deutschland besonders kritisch zu schildern, kommt zu einem aufrüttelnden Ergebnis: 10 Prozent der reichsten Haushalte des Landes verfügen über 53 Prozent des Nettovermögens. Die oft gescholtene Schere in der Einkommensverteilung ist gewaltig.

Für Grüne ist klar: Daran muss sich etwas ändern. Und weil viele Grüne Idealisten sind, stört es sie nicht, für soziale Gerechtigkeit Einschnitte auch bei sich in Kauf zu nehmen. Das belegt eine repräsentative Wählerbefragung. 71 Prozent der Parteianhänger sind demnach bereit, mehr Steuern zu zahlen. Dazu muss man allerdings sagen, dass es so manch einen der postmaterialistischen, wohlhabenderen Anhänger der Partei auch kaum schmerzt, wenn ihm 100 Euro pro Monat im Portemonnaie fehlen. Doch 2013 reicht es nicht, nur die grünen Stammwähler zu überzeugen. Um mit der schwächelnden SPD regieren zu können, muss die Partei auch im Lager von Union und FDP überzeugen.

Deutsche lehnen Steuererhöhung ab

Die große Mehrheit der Wähler allerdings, auch der wohlhabenderen, tickt einfach noch anders als die Grünen. Bei ihnen stößt die Selbstlosigkeit schnell an Grenzen. Auch das belegt eine Studie. 91 Prozent der Deutschen lehnen Steuererhöhungen ab. Gibt es hier ein ethisches Gefälle? Ganz so leicht ist es nicht. Vor allem die Mittelschicht in Deutschland verschließt sich der Umverteilung nicht aus blankem Egoismus. Die treibenden Kräfte sind hier Angst und Wut.

Wütend ist die Mittelschicht, weil das deutsche Steuersystem sie seit Jahren mit Phänomenen wie dem Wohlstandsbauch der Steuerkurve und der kalten Progression gängelt. Sie müssen einen gewaltigen Anteil des Steueraufkommens stemmen – während die richtig Reichen in Deutschland verhältnismäßig wenig auszustehen haben. Obendrein können diese es sich auch noch leisten, ihr Vermögen auf mehr und oft auch minder legale Weise vor dem Zugriff des Staates zu schützen.

Verängstigt sind breite Gruppen der Wählerschaft, weil sie schon beim Wort Steuererhöhung befürchten, dass es wieder einmal sie treffen könnte. Und so ist es zum Teil auch bei den Plänen der Grünen. Auch Familien mit einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro, also alles andere als reiche Familien, müssen mit Mehrbelastungen rechnen, auch wenn die Einschnitte gering sind und kaum schmerzen dürften.

Dass die grüne Steuerpolitik darum scheitert, ist bitter, denn anders als der FDP geht es der Partei nicht darum, mit ihren Plänen Geschenke an ihre Klientel zu verteilen und dafür andere bluten zu lassen. Die Grünen wollen wirklich für soziale Gerechtigkeit sorgen. Allein, die meisten Wähler haben das Vertrauen in eine gerechte Steuerpolitik längst verloren und sind darum nicht mehr bereit, auch nur einen Cent preiszugeben, um sich diesem Ziel zu nähern.

Ob die Grünen am 22. September stark genug für eine rot-grüne Mehrheit sein werden, wird also im hohen Maße vom Stellenwert der Steuerpolitik in den Monaten vor der Wahl abhängen. Die Partei muss hoffen, dass sie auch mit Themen wie Bildungspolitik und Energiewende punkten kann.

Quelle: ntv.de

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