Hilfe für Holocaust-Überlebende Ein goldener Mittelweg
11.11.2007, 16:58 UhrVon Ulrich W. Sahm
Kein anderes Land der Welt hat jemals so offen und klar seine Verbrechen eingestanden: den ungeheuerlichsten Massenmord der Menschheitsgeschichte. Kein anderes Volk der Welt war jemals aus abstrusen ideologischen Gründen für die Ausrottung bestimmt und verlor ein Drittel seiner Angehörigen, sechs Millionen industriell ermordete Menschen. Deutsche wie Juden tun sich schwer, aus der gemeinsamen Vergangenheit auszusteigen. Jedes falsche Wort trifft einen offenen Nerv.
Nur zu verständlich ist die deutsche Empörung über das Ansinnen des israelischen Ministers Rafi Eitan, die 1952 abgeschlossenen und bis 1962 abgegoltenen Wiedergutmachungsverträge zu öffnen. Deutschland war immer wieder bereit, sich für die Verbrechen zur Kasse bitten zu lassen, zuletzt für überwiegend nicht-jüdische Zwangsarbeiter. Die Lohnnachzahlungen kosteten deutschen Firmen und dem Staat Milliarden. Für viele geschundene Opfer kam die Hilfe allerdings zu spät. Und noch immer ist die Vergangenheit aufgearbeitet, wenn man die "Raubkunst", die "schlummernden Konten" und entwendete Grundstücke in alten Judengassen in lukrativer Lage in Stadtzentren bedenkt.
Gleichwohl sind auch die israelischen Wünsche verständlich. Es geht um gesundheitlich und psychisch schwer angeschlagene Menschen. Als Adenauer den Juden Wiedergutmachung anbot, um die Eingliederung der Überlebenden in den Staat Israel zu erleichtern, dachte niemand an die psychologischen Spätfolgen bei deren Kindern oder an die 175.000 aus der Sowjetunion eingewanderten Holocaustopfer. Bei diesen Menschen kann man nicht einfach einen Schlussstrich ziehen und sie elendig leiden und eingehen lassen, nur weil die alten Verträge und Fristen abgelaufen sind. Israel will nicht für die Kosten und Folgen der Naziverbrechen gerade stehen. Genauso will Deutschland nicht immer wieder von Neuem mit neuen Forderungen konfrontiert werden, die politisch schwer durchsetzbar sind. Ein goldener Mittelweg wären vielleicht staatlich subventionierte Investitionen, etwa in den Bau von Altenheimen, die sich später in lukrative Goldgruben verwandeln, doch zunächst dringende Hilfe für die Opfer bedeuten.
Quelle: ntv.de