Volker Jacobs kommentiert Erbschaftsideologie
24.05.2007, 14:13 UhrDas Ergebnis ist geradezu skurril. Mit der Reform der Erbschaftssteuer sollen insbesondere die Erben kleiner Betriebe entlastet werden, um deren Fortführung zu erleichtern. Schließlich schafft der Mittelstand die meisten Arbeitsplätze. Nun aber stellt sich heraus, dass die vorgesehenen Bewertungsregeln das Gegenteil auslösen können, weil nur das produktive Vermögen wie der Maschinenpark entlastet werden soll, dieses Vermögen aber bei Kleinunternehmen oft nur einen geringen Teil des Firmenvermögens ausmacht. Es sieht ganz so aus, als hätten sich die Experten verrannt.
Kaum eine Steuerdiskussion ist derart ideologisch belastet wie die über die Erbschaftssteuer. Schon der Ausdruck "leistungsloses Vermögen" stempelt die Erbschaft zur Ungerechtigkeit, als wäre sie nicht – im Regelfall jedenfalls – durch Leistung entstanden, die übrigens auch schon eine Steuerpflicht ausgelöst hat. Die Überlegung, auf diese Steuer zu verzichten, löste denn auch links von der Mitte Empörung aus. Das Diskussionsergebnis waren Bedingungen, welche sich nur schwer miteinander vereinbaren lassen. Die Erben von Handwerksbetrieben sollen entlastet, Omas Häuschen soll nicht belastet werden, aber das Steueraufkommen von rund 4,3 Milliarden Euro soll unverändert bleiben. Die als zweifelhaft erkannten Bewertungsregeln greifen denn auch bei mittleren Erbschaften zu. Schließlich ist fraglich, ob bei den großen Vermögen so viel zu holen ist. Sicher ist nur, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Höhe der Erbschaftssteuer und dem Bestreben reicher Bürger, sich in erbschaftssteuerfreundlicheren Nachbarländern niederzulassen.
Dabei macht die Erbschaftssteuer 2004 nicht einmal 0,7 Prozent des gesamten Steueraufkommens in der Bundesrepublik aus. Bei den Ländern, denen sie zufließt, waren es immerhin 2,7 Prozent. Aber auch das müsste bei derzeit steigenden Steuereinnahmen keine unüberwindliche Hürde sein. Ihre Abschaffung würde die Finanzämter von erheblichem Ermittlungsaufwand entlasten und außerdem die Kapitalbildung fördern, ein Grund, weshalb namhafte Ökonomen die Erbschaftssteuer ohnehin für schädlich halten. Die meisten EU-Länden kommen auch ohne sie aus. Österreich, ein geschätztes Refugium für Steuerflüchtlinge, will sie abschaffen, und das unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler. Aber die SPÖ hat sich schon früher als steuerpolitisch bemerkenswert unideologisch erwiesen – und als erfolgreich.
Quelle: ntv.de