Geschäfte mit Suharto Gedächtnisschwund in Berlin
05.08.2007, 15:59 UhrVon n-tv Asien-Korrespondent Hommy Dara
Ja, das Entsetzen ist groß. Frankreichs neuer Präsident Nicolas Sarkozy macht Geschäfte mit dem libyschen Diktator Muammar Al-Gaddafi, der nach über 20 Jahren plötzlich wieder aus der Versenkung auftauchte. Der Franzose hat ihm jetzt auch noch Waffen versprochen. „Unerhört!“, sagen deutsche Politiker.
Da Gedächtnisschwund wohl eine weltweite Krankheit bei Politikern ist, seien hier ein paar Stützhilfen zur Wiedererlangung des Erinnerungsvermögens gegeben.
In den 80er Jahren verkaufte Deutschland Waffen im Wert von ein paar Milliarden Dollar an den indonesischen Diktator und Menschenrechtsverbrecher Mohammed Suharto. Ohne kleinlich erscheinen zu wollen: Der Mann hat mindestens 500.000 Menschen ermordet. Er hat ein Viertel der Bevölkerung von Ost-Timor ausgelöscht; er ließ jede Opposition mit einem Kugelhagel beantworten. Was fast noch schlimmer ist als das Geschäft: Helmut Kohl, Bundeskanzler a.D., bezeichnete in seinen Memoiren den Schlächter von Jakarta als „einen treuen Freund der Deutschen.“ Mein Freund ist Suharto nicht, und das bleibt auch hoffentlich so!
Im selben Zeitraum wütete der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak. Während die USA und Frankreich tüchtig den irakischen Tyrannen Saddam Hussein mit Waffen und sogar Giftgas versorgten, sprangen die Sowjets und die Deutschen dem Gründer des fundamentalistischen Islams Ayatollah Khomeini in Teheran zur Seite – selbstverständlich mit Waffen. Eine Million Menschen starben – die meisten waren noch Kinder.
Kürzlich kam in Berlin die Frage auf, ob man China weiterhin Entwicklungshilfe zahlen sollte. Die neugeborenen Ultra-Kapitalisten mit rotem Anstrich haben nicht nur das drittgrößte Atomwaffenarsenal der Welt, sondern treten auch Menschenrechte mit Füßen. Die Hoffnung dies könne sich vielleicht durch die geplanten olympischen Spiele 2008 in Peking bessern, wurde durch einen gerade von amnesty international vorgelegten Bericht zunichte gemacht. Das Schreiben berichtet über „Umerziehungslager“ und Massenhinrichtungen im Reich der Mitte. Und zur Belohnung ist China heute einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands – mit einer Subvention namens Entwicklungshilfe.
Und da haben wir dann noch den Herrn Karlheinz Schreiber, der in Kanada beharrlich gegen seine Auslieferung nach Deutschland kämpft. Der Waffenhändler hatte geschmiert und dafür Aufträge bekommen. Wem Schreiber verkaufte, war ihm egal – nur die Rendite musste stimmen. Der Waffendeal mit Saudi-Arabien, bei dem deutsche Spürfuchs-Panzer an die Scheichs verkauft wurden, endete mit einem Haftbefehl für den Wahlkanadier. Nicht aber etwa, weil in Saudi-Arabien Menschen in der Öffentlichkeit enthauptet werden (Am vergangenen Freitag starb der 112. in diesem Jahr durch das Schwert), sondern weil er Steuern hinterzogen hat. Man muss es sich ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen: Ein Waffenhändler, der einem Terror-Regime Waffen verkauft hat, steht in Deutschland nicht auf der Fahndungsliste wegen indirekter Teilnahme an Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern weil der Fiskus an seinem blutigen Geschäft teilhaben will. Wie sollte er auch wegen ersterem angeklagt werden? Die Bundesregierung gab dem Mann damals ja grünes Licht für den Deal.
Wer mit einem Finger auf einen anderen zeigt, zeigt mit dreien auf sich selbst. Deutschland müsste erst einmal seine wirtschaftspolitischen Engagements in anderen Ländern, die nicht minder schlimme Verbrecher als Gaddafi in ihrer Führungsmannschaft haben, neu überdenken, bevor es dem Franzosen Sarkozy etwas über Moral und Menschenrechte vorträgt. Im US-Außenministerium ist man übrigens auch sehr verärgert über das Geschäft. Nicht etwa weil nicht genug Vertrauen in das zarte Pflänzchen der neuen Freundschaft mit Gaddafi bestünde, sondern weil Washington das Geschäft lieber selbst gemacht hätte.
Quelle: ntv.de