Heilige Schauer Hoffen auf Mekka
30.01.2007, 11:34 UhrEin Zwischenruf von Manfred Bleskin
Nun also soll die heilige Atmosphäre der Großen Moschee in Mekka richten, was seit mehr als einem Jahr durchaus als palästinensischer Bürgerkrieg gelten darf. Fatah- und Autonomiebehördenchef Mahmud Abbas und Ministerpräsident Ismail Hanija haben die Einladung des saudischen Königs Abdullah zu Friedensgesprächen angenommen. Sollte das Treffen tatsächlich zustande kommen, wäre dies insofern ein Novum als die Kontrahenten erstmals im Ausland und unter den Fittichen eines der mächtigsten Potentaten der Region über eine politische Lösung ihres blutigen Streits verhandeln. Andere arabische, namentlich ägyptische und jordanische, Vermittlungsversuche waren erfolglos geblieben. Milizionäre beider Seiten patrouillieren entgegen den Vereinbarungen über die jüngste Feuerpause schon wieder durch die Straßen. Eine Frage der Zeit mithin, wann es abermals losgeht.
Reichen die religiös geprägte Umgebung und das Gewicht des Gastgebers für eine dauerhafte Regelung aus? Weder Abbas noch Hanija sind in der Lage, die einzelnen Gruppen und Grüppchen in ihrem politisch-militärischen Gefolge zu kontrollieren. Zudem fühlen sich manche Gruppierungen weder zur Fatah noch zur Hamas hingezogen. Entscheidend aber ist, dass Fatah und Hamas unterschiedliche soziale Interessen repräsentieren. Die Fatah stützt sich auf eine immer schon reich gewesene palästinensische Bourgeoisie und eine durch Korruption reich gewordene Funktionärsclique; im Grunde ihres Herzens ist die Fatah säkular, der Islam gilt ihr als Mittel zum Zweck. Ihre Hochburgen liegen im Westjordanland.
Die Hamas artikuliert die Belange eines Kleinbürgertums, das bei der Verteilung der Pfründe zu kurz gekommen ist. Zugleich reflektiert die Organisation die Belange eines beachtlichen Teils der armen Unterschicht, um sich an der Macht zu halten. Dabei propagiert die Hamas eine radikale Auslegung der Sunna und entblödet sich nicht, die „Protokolle der Weisen von Zion“ geheißene Jahrhunderfälschung zur Begründung ihres Antisemitismus heranzuziehen. Die Hamas ist vor allem im Gazastreifen stark. Die Fatah gilt dem Westen als der verlässlichere Partner; aus den USA kommen sogar Waffenlieferungen. Die Hamas stützt sich auf Syrien und den Iran, saudische Petrodollars fließen an beide.
Das nichtislamische Ausland ergeht sich derweil in bislang ergebnislosen Versuchen, das Nahostquartett wiederzubeleben. Die jüngste Nahostreise von US-Außenministerin Condoleezza Rice war ein Flop. Nichts Neues, außer der vagen Ankündigung eines Dreiertreffens mit Abbas und Israels Premier Ehud Olmert. Woher EU-Ratspräsidentin Angela Merkel den Optimismus nimmt, wenn sie von einem „Zeitfenster für Fortschritte“ im Nahen Osten spricht, wird ihr Geheimnis bleiben. Nicht nur die derzeitige Lage in den palästinensischen Gebieten lässt kaum Hoffnungen auf Progress aufkommen. Auch die Situation im regionalen Umfeld ist denkbar ungeeignet. Die Regierung in Jerusalem schwächelt und ist kaum zu eigenen Initiativen fähig und wohl auch willens; im Libanon ist der Machtkampf zwischen den vielgestaltigen religiös-ethnischen Gruppen voll entbrannt. Der Irak, der kurdische Norden ausgenommen, versinkt im Bürgerkrieg, in dem sich die „neue“ US-Strategie der verstärkten Truppenentsendung erwartungsgemäß als untauglich erweist. In Afghanistan schaut's nicht viel besser aus.
So ist kaum zu erwarten, dass Mahmud Abbas und Ismail Hanija in Mekka ein heiliger Schauer über den Rücken läuft und sie Wege zur Konfliktlösung eröffnen. Eher wird es einem auch danach kalt den Rücken herunter laufen.
Quelle: ntv.de